Gravity

Gravity
Originaltitel: Gravity – Erscheinungsjahr: 2013 – Regie: Alfonso Cuarón

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Darsteller: Sandra Bullock, George Clooney, Ed Harris, Orto Ignatiussen, Phaldut Sharma, Amy Warren, Basher Savage

Filmkritik: „Was macht eigentlich Alfonso Cuarón?“ Dies war eine berechtige Frage, nachdem der Regisseur auf seinen Überraschungshit „Children of Men“, der vor allem mit seinen herausragenden Kamerafahrten aber auch seiner spannenden Geschichte Punkten konnte, keinen weiteren Film folgen ließ. Wer sollte auch ahnen, dass er mit „Gravity“ ein ganz heißes Sci-Fi Eisen im Feuer hatte aber noch auf die richtige Technik warten musste, dieses Meisterwerk auch entsprechend zu inszenieren. Gut das ein anderer Meister seines Fachs, James Cameron, mit „Avatar“ 2009, Teile diese Technik hervorbrachte. Seitdem arbeitete Cuarón an „Gravity“. Hat sich die lange Entwicklungszeit gelohnt?

Sandra Bullock spielt die brillante Medizintechnikerin Dr. Ryan Stone, deren erste Shuttle-Mission vom erfahrenen Astronauten Matt Kowalsky (George Clooney) geleitet wird – nach diesem Einsatz will er seinen aktiven Dienst beenden. Doch während eines scheinbar ganz normalen Weltraumspaziergangs am Hubble Teleskop kommt es zur Katastrophe: Der Shuttle wird zerstört – völlig haltlos bis auf das Band zwischen ihnen trudeln Stone und Kowalsky mutterseelenallein in die Finsternis. Aufgrund des ohrenbetäubenden Schweigens wissen sie, dass sie den Kontakt zur Erde verloren haben … und damit jede Chance auf Rettung. Ihre Angst schlägt um in Panik, während jeder Atemzug ihren kleinen Vorrat an Sauerstoff reduziert…

Aufgrund der Kompliziertheit der Trickaufnahmen, gibt es in Sci-Fi Filmen die sich mit dem Thema Raumfahrt und Weltraum beschäftigen nur selten längere Szenen in absoluter Schwerelosigkeit, noch weniger außerhalb der schützenden Raumstation. Zu kompliziert ist das glaubhafte Schweben lassen von einer oder gar mehreren Figuren und eventuellen Gegenständen.
Eben dieser Faktor war auch der Hauptgrund, weswegen „Gravity“ derart schwer zu filmen war. Denn der Film spielt in seinen recht kurzen 90 Minuten fast in Gänze in der Schwerelosigkeit des kalten, dunklen und stillen Weltraums.

Wenn zu Beginn die Erde in Großaufnahme auf der Leinwand erscheint, die Kamera sich langsam, praktisch unbemerkt bewegt und schließlich in einer langen Einstellung auf ein kleines Space-Shuttle zoomt, an dem 3 Astronauten arbeiten und anschließend weiter um diese Astronauten rotiert, eine Diskussion anfängt zwischen den Raumfahreren und die Szenerie aus immer neuen Positionen eingefangen wird, bereits dann ist man als Kinematographie-Fan von „Gravity“ beinahe restlos überzeugt. „Gravity“ ist Kameraarbeit in Perfektion.

Alfonso Cuarón hat sich für „Gravity“ eine verhältnismäßig simple Story ausgedacht. Sein Sci-Fi-Film handelt im weiteren Sinne von Wiedergeburt. Genauer der seelischen Wiedergeburt nach einem schwerwiegenden Ereignis. Den Weg zurück ins Leben finden, das Leben wieder Lebenswert machen.
Dr. Ryan Stone durchlebt im Film die Hölle. Sie entkommt brenzligen Situationen, zerberstenden Raumstationen, Satelliten-Trümmer-Schauern, Sauerstoffmangel und der brennenden ISS. Dabei ist sie zunächst nicht allein. Clooneys Figur Matt Kowalsky gilt für Stone wie auch für den Zuschauer als Leiter, als Führer, als derjenige der einen an die Hand nimmt wenn man absolutes Neuland betritt. Der das Fahrrad hält wenn man das erste Mal darauf lernt zu fahren…und irgendwann loslässt ohne, dass man es merkt.

Und „Gravity“ betritt absolutes Neuland. Der Zuschauer erlebt dieses aus der Sicht von Dr. Ryan Stone. Wie ihr zu Beginn Flau im Magen ist, so ist auch dem Zuschauer nach der x-ten 3D Kameradrehung ein kleines bisschen Flau. Und das unvermeidliche Ausscheiden von Clooneys Figur quittiert der Zuschauer mit einer ähnlichen Ausweglosigkeit wie Bullocks Figur. „Was mache ich jetzt? Die Bullock hat doch gar keine Chance alleine?! Ich habe mich voll auf Clooney verlassen. OH mein GOTT“. Selten schaffte es ein Film so gut, den Zuschauer in dieselbe, praktisch hoffnungslose Situation zu verfrachten wie seinen Hauptdarsteller. Mit jeder Minute presst man sich tiefer in den Kinosessel, wischt hektisch seine feucht nassen Hände an der Hose ab und beißt die Zähne zusammen. Die Anspannung schlägt voll durch und hält einen bis zum Abspann im Würgegriff.

Dabei hilft, neben den herausragenden Darstellerleistungen und den beeindruckenden, wegweisenden Effekten, vor allem auch der stimmungsvolle, Emotionen anregende aber nicht steuernde Soundtrack. „Beunruhigend und beruhigend“ ist wohl der richtige Ausdruck. Die orchestralen Tracks wiegen einen in Sicherheit um im nächsten Moment brutal und unbemerkt zuzuschlagen.

Wie ein Text zu Beginn von „Gravity“ nochmal kurz und knapp auf den Punkt bringt: „At 372 miles above Earth there is nothing to carry sound. No air pressure. No oxygen. Life in space is impossible.„
Der Weltraum ist kein Platz zum Leben. Es ist feindliches Territorium. Praktisch jede Minuten von „Gravity“ macht diesen Umstand mehr als deutlich. Ähnlich wie einst „Jaws“, der bis heute Menschen die Angst vor Wasser eingetrichtert hat, könnte es „Gravity“ schaffen den Mythos der schönen „unendlichen Weiten“ zu nehmen. Der Weltraum ist spätestens jetzt kein verklärtes, schönes, ruhiges Eckchen mehr. Ein falscher Schritt, ein kleiner Fehler und man steckt im größten Schlamassel den man sich vorstellen kann.

Trotz allem ist „Gravity“ dabei schlicht wunderschön. Wenn die Sonne hinter der Erde emporsteigt, man die Erde in all ihrer Pracht und ohne all das Elend von oben betrachtet, selbst wenn ein Trümmer-Schauer eine komplette Raumstation in Schutt und Asche legt und dabei kein einziger Ton dieses Spektakel verkündet, selbst dann denkt man sich noch, dass solch eine Szene locker als Kunstwerk durchgehen könnte. Wie ein Gemälde einer schrecklichen Szene, welches für sich genommen ebenfalls vielleicht als wundervoll aufgefasst wird. Und ist es nicht auch bei Haien die schlichte Perfektion und Schönheit dieser gefräßigen Killer die den Reiz ausmacht?

Wenn am Ende die theoretische Wiedergeburt von Dr. Ryan Stone vollbracht ist, hat auch der Zuschauer beinahe ähnliches durchgemacht. Man fühlt sich angestrengt, platt, ausgelaugt. Aber auch glücklich. „Gravity“ setzt Emotionen frei, die man selten im Kinosaal erlebt hat, Momente die man wohl noch nie im Kinosaal ausleben durfte. „Gravity“ ist der Inbegriff wieso es 3D im Kino geben sollte und ein mehr als guter Grund, wieso es das Kino als solches überhaupt noch gibt.
Lasst euch bekehren und schaut ihn euch an!

Filmbewertung: 10/10