Hugo Cabret
Originaltitel: Hugo – Erscheinungsjahr: 2011 – Regie: Martin Scorsese
Darsteller: Ben Kingsley, Sacha Baron Cohen, Asa Butterfield, Chloë Grace Moretz, Ray Winstone, Emily Mortimer, Christopher Lee, Helen McCrory, Michael Stuhlbarg, Frances de la Tour, Richard Griffiths, Jude Law
Filmkritik: Paris, 30er Jahre – Der kleine Hugo (Asa Butterfield) lebt in der Zwischendecke und anderen versteckten Bereichen des Hauptbahnhofs, von wo aus er sich alleine um die zahlreichen Bahnhofsuhren kümmert, die er aufziehen und stellen muss. Diesen Job hatte er von seinem Onkel Claude (Ray Winstone) übernommen, der ihn hierhin mitnahm, nachdem Hugos Vater (Jude Law) bei einem Brand verstarb.
Doch sein Onkel ist bereits seit Monaten verschwunden. Hugo schlägt sich also als Einzelkämpfer durch und ernährt sich durch kleine Diebstähle, weshalb ihn der Bahnhofspolizist (Sacha Baron Cohan) schon lange jagt.
Wichtiger ist Hugo aber, möglichst viele Ersatzteile für einen „Automaton“ zu besorgen, den er unbedingt reparieren will, da dieser das einzige ist, was er noch von seinem Vater hat. Es handelt sich dabei um eine Art vorsintflutlichen Roboter, der wie ein Gerät zum Aufziehen funktioniert aber weitaus komplexer ist. Doch Hugo fehlt ein herzförmiger Schlüssel, mit dem er den „Automaton“ aktivieren kann. Ausgerechnet ein junges Mädchen (Chloë Grace Moretz) das er im Bahnhof kennen lernt hat solch einen Schlüssel um den Hals hängen. Sie ist die Enkelin eines seltsamen Spielzeugverkäufers (Ben Kingsley)…
„Hugo“ kann mit Fug und Recht als Scorseses Traditionsbrecher bezeichnet werden. Sein erster Film seit 12 Jahren der ohne Leonardo DiCaprio auskommt und sein erster PG-Film seit 18 Jahren. Für Scorsese, der sich die letzten Jahre vor allem durch DiCaprios Mitarbeit ausgezeichnet hat und bekannt dafür ist, vor allem in seinen Mafiafilmen reichlich Gebrauch von Gewalt zu machen, wirkt das alles dann schon ein wenig unpassend, besonders weil „Hugo“ schnell als Kinderfilm verschrien wurde.
Doch hier kann gleich Entwarnung gegeben werden. Zwar wird die Hauptrolle von einem Kind besetzt, die Handlung ist aber in weiten Teilen dann doch weniger für die Kleinsten geeignet, auch wenn Sacha Baron Cohen in den ersten 10 Minuten des Films bereits einen Reisekoffer ins Gemächt bekommt.
„Hugo“ stellt sich mit zunehmender Laufzeit als reizvoller Einblick in die absolute Anfangszeit des Kinos dar. Unter dem Deckmantel des „Kinderfilms“ bzw. der Figur des „Hugo“ errichtet Scorsese hier ein Denkmal für Kinopionier Georges Méliès.
Wer über Scorsese Bescheid weiß, der ist im Bilde, dass er seit jeher ein großer Fan des Films und dessen Entstehungsgeschichte ist. In seinen sonstigen Filmen tritt dies allerdings meist nur Beiläufig in Erscheinung.
Daher fällt es zunächst schwer, inhaltlich Bezüge zwischen „Hugo“ und Martys restlichen Arbeiten herzustellen. Woran man ihn aber von der ersten Minute an wiedererkennt ist die ausgezeichnete Bebilderung des Werks. Schnitt, Kamera, Ausstattung, Kostüme, all das ist Güteklasse A. Allein die ausladenden, wundervoll langen Kamerafahrten zu Beginn des Film, in denen sich „Hugo“ auch im weiteren Verlauf immer mal wieder drin verliert, lassen das Herz eines jeden Filmfans höher schlagen. Stellvertretend sei hier bereits die erste Kamerafahrt genannt, bei der man als Zuschauer durch den großen Bahnhof fliegt so direkt ins Geschehen reingezogen wird.
In „Hugo“ besinnt sich Scorsese auf seine Stärken als Geschichtenerzähler. Der arme Waisenjunge Hugo der sich im großen Bahnhof um alle Uhren kümmern muss aber im Grunde nur ein ungebetener Gast ist der ins Waisenhaus gehört, wächst dem Zuschauer schon recht schnell ans Herz.
Da haben es die meisten anderen Darsteller bedeutend schwerer, besonders weil vielen nicht mehr als Statistenrollen zugesprochen werden. Emily Mortimer und Richard Griffiths haben es sogar nur noch ganz knapp auf eine Sprechrolle gebracht, die meisten Zeit dienen sie nur als „nett in die Kamera schauen“ bzw. „Hund beißt ihm in die Wade“. Das ist in Anbetracht der Qualitäten der Schauspieler schon etwas schwach und ernüchternd.
Überraschend gut gefällt dafür wieder mal Sacha Baron Cohen, der zu Beginn nicht mehr als ein Comic-Relief darstellt, zum Ende hin neben diversen Slap-Stick-Spielchen auch etwas emotionalere Szenen spendiert bekommt.
Doch die Tiefe der Hauptfigur hält sich mit fortschreitender Laufzeit in knapp abgesteckten Grenzen. Sobald der Hintergrund ausgeleuchtet wurde, ist die Figur Hugo eigentlich bereits auserzählt.
Doch hier verschiebt sich die Geschichte von „Hugo“ erzähltechnisch immer mehr in Richtung der Figur von Georges Méliès, fantastisch gespielt von Ben Kingsley und mit jeder Minute Screentime merkt man, wer in diesem Film eigentlich die Hauptrolle haben sollte. „Aber wer schaut sich schon einen Film über Georges Méliès an?“, fragten sich wohl die Produzenten und baten allem Anschein nach um eine zugänglichere Titelfigur. Viel zugänglicher wurde der Film dadurch allerdings, Marty sei Dank, trotzdem nicht.
Das Paris der 30er wirkt nicht nur wegen der offensichtlich reichhaltig vorhandenen CGI-Effekte surreal sondern ist bewusst hier und da fantastisch angelegt. Die Gänge in denen Hugo zwischen den Uhren hin und her rennt erinnern z.B. nicht nur einmal an eine etwas heruntergekommene Jahrmarktattraktion samt Wasserrutsche. Insgesamt wirkt der Film unglaublich stimmig. Der Look ist zugänglich aber trotzdem verspielt und locker und lädt so dazu ein, dass man auch mal das Auge schweifen lässt um Details zu entdecken. Der natürlich französisch angehauchte Soundtrack tut sein übriges dazu und weiß ebenfalls durchgehend zu überzeugen.
Insgesamt ist „Hugo“ wohl Scorseses Lieblingsprojekt. Das ist der Stoff, der ihm aus der Seele zu kommen scheint. Seine treuen Fans werden zwar nicht verprellt, aber sie bekommen diesmal eben keinen typischen Film ihres Lieblings serviert. Wer sich allerdings ein wenig für Filmgeschichte interessiert und zudem einer etwas fantastischen Erzählweise nicht abgeneigt ist, wird mit „Hugo“ seinen Spaß haben. Denn das Werk ist erstaunlich Kurzweilig geraten und daher auch für Quereinsteiger bestimmt kein Langweiler.
Filmbewertung: 8/10
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