Die Abenteuer von Tim und Struppi – Das Geheimnis der „Einhorn“
Originaltitel: The Adventures of Tintin – Erscheinungsjahr 2011 – Regie: Steven Spielberg
Darsteller: Daniel Craig, Jamie Bell, Simon Pegg, Nick Frost, Cary Elwes, Toby Jones, Andy Serkis, Tony Curran, Mackenzie Crook u.A.
Filmkritik: 3D Filmes sind immer so eine Sache. Man mag das Format, oder eben nicht, auch wenn dazwischen natürlich verschiedene Abstufungen existieren. Genau das Gleiche gilt für CGI-Kinofilme, besonders solche, in die Mama und Papa oder zumindest jeder über 6 Jahre nicht reingeschliffen werden muss. Besonders Robert Zemeckis mit seinen Filmen wie „Polarexpress“, „Beowulf“ oder auch der „Christmas Carol“ musste dies mitbekommen.
Nun springen Steven Spielberg und Peter Jackson auf den Zug auf und präsentieren „Tim und Struppi“ erstmals auf der großen Leinwand und drei Monate vor dem US-Start, da „drüben“ eigentlich kaum eine Zielgruppe für eine Adaption des europäischen Comics existiert. Doch mit feinster Computeranimation, die sowohl dem Comic-Stil huldigt, als auch die Figuren, dargestellt, oder besser ge-motion-captured von Jamie Bell als Tim oder Andy Serkis als grummeligen Kapitän Haddock, hat man sich als Zuschauer bereits nach kurzem an diese komischen Mischwesen aus „beinahe echt“ und „total künstlich“ gewöhnt.
Der Streifen selber setzt dann, nach einer fantastischen Vorspannsequenz auch direkt in der Handlung (und einer Huldigung des Originalcomics) ein, als der junge Reporter Tim, der hier weder groß eingeführt wird, noch im weiteren Verlauf jenseits seines Vornamen weiter charakterisiert wird, eine altes Schiffmodell auf dem Trödel ersteht. Dieses Modell jedoch wollen auch noch verschiedene andere Fraktionen in ihre Griffel bekommen, da es nur ein Teil zu einem noch größeren Puzzle ist, an dessen Ende ein Vermögen auf den Finder wartet…
…so weit, so abenteuergerecht. Das Geschehen braucht etwa eine knappe halbe Stunde, um ordentlich in Fahrt zu kommen und vor allem, damit endlich Andy Serkis als Haddock auftritt, durch den Tim einen gelungenen Partner an die Seite gestellt bekommt, der etwas mehr Charakter aus ihm rauskitzelt als schlicht den stets neugierigen Reporter. Haddock ist dann auch die Seele des Films und zeigt wunderbar, wie gut sich heutzutage Emotionen und kleinere Schauspielfeinheiten auf Computercharaktere übertragen lassen. Nebencharaktere wie das trottelige Interpol-Agentenduo oder auch Steven Spielberg selbst als Mini-Auftritt als Scheich sind zumeist schlicht lustige Dreingaben in diesem Abenteuer für die ganze Familie, welches man eigentlich, bis auf vielleicht etwas viel Fortsetzungsandeutung zum Schluss und ein wenig holprigen Erzählfluss besonders zum Beginn hin rundum empfehlen könnte. Könnte.
3D zum Durchwirbeln
Vielleicht liegt es ja daran, dass dies Spielbergs und Jacksons erster CG-Streifen ist und dass sie sich noch nicht an der „frei im Raum positionierbaren Kamera“ satt experimentiert haben, aber die Optik von „Tim und Struppi“ ist zu großen Teilen ziemlich seekrankmachend. Der Übelkeitsfaktor resultiert daraus, dass es nur wenige normale Schnitte gibt, sondern die Kamera frei wirbelnd durch den Raum fetzt, sich zig Mal um die eigene Achse dreht, von einer Erzählebene zur nächsten wechselt ohne Schnitt, sondern nur mit Gewackel und auch bei einer minutenlangen Rückblicksequenz etwa konsequent diesem Stil frönt.
Witzigerweise geht die Übersicht dabei nicht verloren, aber besonders durch die Kombination mit dem 3D-Faktor entsteht so eine konsequente Kinetose, weniger fachlich ausgedrückt „Reisekrankheit“ oder passender im Englischen als „Motion Sickness“ bezeichnet. So war „Tim und Struppi“ der erste Film in 25 Lebensjahren, die den diesen Artikel schreibenden Menschen für gut über eine Stunde Seekrank gemacht und gleichzeitig Übelkeit beschert hat. Die Familie auf den Sitzen nebenan empfanden das ebenso, besonders deren kleine Mädchen. Allen weiteren Kommentaren enthalte ich mich an dieser Stelle besser.
Besonders schade ist das Kamerataumeln auch deshalb, weil es schlicht nicht nötig gewesen ist. Ja, die Übergänge sind schön gemacht. Aber wenn der zigste nette Übergang in voller Kamerafahrt auf den Zuschauer niederprasselt, so wird auch der netteste Effekt auf Dauer langweilig. Damit dies nicht geschieht, hat man wohl auch den Actionanteil besonders in der zweiten Filmhälfte in teils absurde Höhen geschraubt, so dass manch eine Verfolgungsjagd beinahe wie die Bugs Bunny-Variante eines typischen Abenteuerfilms wirkt. Der Geist der gezeichneten Vorlage wird dabei stark überhöht und da muss sich wohl jeder Comicfan selbst ein Herz fassen, ob dies alles noch mit dem Geist der Vorlage zu tun hat oder nicht. Insgesamt fällt aber schon die zunehmende Radau-Haltung auf, die ab der Mitte bis zum Showdown einfach nicht abnehmen will. Etwas bewussteres Verteilen der Actionsequenzen wäre da wohl Trumpf gewesen.
…am Ende kommt es schlicht darauf an, ob man nun beim Film (wegen der Optik) das große Würgen bekommt, oder nicht. Als jemand der bislang bei keinem anderen 3D-Streifen jemals auch nur ansatzweise dieses Problem hatte, kann ich da leider aber auch keine ordentliche Prognose stellen, ob man nun zur Seekranken-Fraktion gehört oder nicht. Der Film ist ein netter Abenteuerfilm für die ganze Familie, aber nichts, was solchen Taumel nachher rechtfertigen würde. Ein netter Streifen, bei dem Serkis als Haddock in jeder seiner Szenen die Schau stiehlt (wie auch im Comic), aber auch nicht mehr.
Filmbewertung: 7/10 / Filmbewertung + 3D-Sehkrankmodus: 3/10
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