Portal 2
Als die ersten News bekannt wurden, dass es zum Indie-Puzzle-Hit „Portal“ einen Nachfolger geben sollte, war die Überraschung klein. Das kleine Spiel war damals super erfolgreich und hat mit seiner einzig artigen Mischung aus Rätselspaß, Kreativität und Humor die Spielerherzen im Sturm erobert. Doch die Skepsis war größer. Kann „Portal“ den Aufstieg zu einem A-Game überstehen? Müssen die Rätsel unbedingt mit neuen Features aufgeblasen werden? Braucht das Game eine komplexere Story als der Vorgänger? Und vor allem: Bleibt der Humor erhalten?
Bei „Portal“ sowie auch in „Portal 2“ handelt es sich um ein Puzzle-Game aus der Egoperspektive. Nur mit einer Portalkanone „bewaffnet“ muss man sich als namenlose und sprachlose Heldin durch diverse Testräume manövrieren die ein durchgedrehter Testcomputer namens GLaDOS einem in den Weg stellt. Mit Hilfe der Portalkanone kann man Eingangs- und Ausgangsportal schießen. Alles was in A reingeht kommt aus B raus, und zwar mit demselben Winkel und Geschwindigkeit wie es reinkam. Dieser Umstand ermöglicht es den Machern, allerhand kuriose Rätsel auf den Spieler loszulassen.
Echte Gegner oder Feinde gibt es, bis auf kleine süße Selbstschussanlagen, keine.
In „Portal 2“ ist GLaDOS nun wieder auferstanden. Nachdem man den Supercomputer am Ende von Teil 1 ausgeschaltet hat, wuchs Gras über den Forschungskomplex. Doch irgendwann erwacht man als Spieler aus einem künstlichen Schlaf und muss erneut gegen eine wiedererstarkte GLaDOS antreten.
Die Macher setzen bei „Portal 2“ auf das bewährte Konzept der Portale. Die ersten Rätsel des Spiels könnten daher auch 1:1 aus dem Vorgänger stammen. Doch schnell merkt man erste Unterschiede und neue Features. Neben Lichtbrücken und Lasern gibt es ab der Mitte des Spiels auch mehrere Gels, die den Spieler schneller laufen oder höher springen lassen wenn man drüber hinweg läuft. Mit Hilfe der Portale muss man die Gels also in der Landschaft verteilen und dann mit in die Rätsel einbeziehen.
Diese vielen neuen Features lassen das prinzipiell simple „Portal“ zunächst aufgeplustert oder gar überladen wirken. Doch dem ist nicht so. Die Macher bauen die neuen Features genau zu den richtigen Zeitpunkten ein und die Rätsel werden nie überfordernd komplex durch zu viele Features gleichzeitig. Eher noch sind die Rätsel, trotz der neuen Elemente, ein kleines bisschen zu leicht.
Die Sorge um den Humor des Spiels war ebenfalls völlig unbegründet. Das Spiel schafft es sogar noch eine Schippe draufzupacken. Neben GLaDOS gibt es noch eine zweite KI im Spiel, genannt Wheatley und gesprochen vom britischen Schauspieler Stephen Merchant. Und wer auf britischen Humor und vor allem den britischen Akzent steht, kommt voll auf seine Kosten. Ich fand sogar, dass Wheatley GLaDOS mehrmals den Rang abgelaufen hat. Zwar ist GLaDOS weiterhin herrlich trocken, aber der anders gelagerte Humor von Wheatley ist ebenfalls sensationell gut und man muss mehrmals kurz aufhören zu spielen vor Lachen.
Über eine kurze Zeit im Spiel, nämlich dann wenn man die Gels kennen lernt, kommt noch ein dritter Sprecher hinzu. Es handelt sich um Tonbandaufnahmen eines alten Army-Generals namens Cave Johnson, gesprochen von J.K. Simmons. Er trifft mit seinem Tumor-Humor sicher nicht den Nerv von jedermann, doch mir hat er die Tränen in die Augen getrieben. Wenn er darüber informiert, dass die Tests mit der Heuschrecken-DNA auf Eis gelegt worden sind aber man stattdessen nun zum Training gegen eine Armee von Heuschrecken-Menschen kämpfen könnte, liegt man vor Lachen bald unter dem Tisch.
Kritikpunkte gibt es an „Portal 2“ nur wenige. Einer ist aber in jedem Fall, dass das Spiel mehrmals zu sehr in die Breite geht. An vielen Stellen verlässt man die bekannten Pfade der Testkammern und stößt in unbekannte Bereiche des komplett unterirdischen Testgeländes vor. Dieser Faktor ist verflucht cool, da die Station ganz klar irgendwann zwischen 1960 und 1980 existiert haben muss und seitdem nicht mehr bewohnt wird. So sieht man eine längst vergessene Welt die es wirklich Wert ist erkundet zu werden. Zwar stört die etwas zu wenig detaillierte “Half Life 2“ Engine hier schon, aber die Gegend ist trotzallem ziemlich interessant und spannend.
Hinderlich ist allerdings, dass man stellenweise einfach gar keine Ahnung hat wo man denn bitteschön hin muss. In der Regel handelt es sich in diesen Fällen um eine meilenweit entfernte Wand, an die man ein Portal schießen kann und dadurch z.B. einen großen Abgrund überwindet. Doch weder sind die Abgründe besonders auffällig als „da muss ich drüber“ zu erkennen noch erkennt man die für ein Portal geeigneten Wände besonders gut aus großer Entfernung. Zwar kann man mit der mittleren Maustaste heran zoomen, aber die ganze Gegend absuchen macht nun nur bedingt Spaß. So hängt man an ein paar Stellen im Spiel, mal kürzer mal länger fest, da man nicht weiß wo es weitergeht. Eine Hilfsfunktion oder ein Richtungspfeil würden hier Wunder wirken, gerne auch nur optional.
Die Story von „Portal 2“ ist ab einem bestimmten Punkt im Spiel ziemlich vorhersehbar. Doch erneut geht es auch gar nicht um die Geschichte, sondern den Spaß am Rätseln und den abgedrehten Humor. Und genau hier haben die Macher erneut bewiesen, was sie alles drauf haben. Die Rätsel, die in der Anzahl ordentlich erhöht worden sind, machen jedes Mal reichlich Spaß und nutzen sich gar nicht ab. Es ist eher wieder so, dass ausgerechnet wenn man die Techniken des Spiels gerade perfekt beherrscht, das Erlebnis schon wieder vorbei ist. Denn mehr als 6 Stunden fesselt „Portal 2“ dann wohl doch nicht vor den Bildschirm, zumindest im Single Player Modus. Es gibt ja noch den Coop-Part, den ich demnächst einmal angehen werde.
Fans des ersten Teils aber auch Neueinsteiger MÜSSEN „Portal 2“ gespielt habe. Erneut eines der beeindruckendsten Spiele seines Erscheinungsjahres.
9/10
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