Das Weiße Band
Erscheinungsjahr: 2009
Regie: Michael Haneke
Darsteller: Christian Friedel
Ulrich Tukur
Leonie Benesch
Josef Bierbichler
Leonard Boes
Aaron Denkel
Jadea Mercedes Diaz
Da "Das Weiße Band" als bester ausländischer Film nominiert wurde und aus Deutschland kommt, musste ich mir diesen natürlich vor der Verleihung morgen Nacht ansehen. Von Regisseur Haneke kenne ich bislang 2 Filme. Den starken "Funny Games" und den eher schwachen "Bennys Video". Doch "Das Weiße Band" scheint zunächst ganz anders gelagert zu sein. Der Film kommt in Schwarz/Weiß daher. Er wurde in Farbe gedreht und dann später in Schwarz/Weiß transformiert, was für ein enorm scharfes Schwarz/Weiß Bild sorgt und man wirklich den Eindruck hat als würde man einen Deutschen Kriegsfilm aus den 50er Jahren gucken, nur mit hoher Auflösung.
Augenscheinlich passiert inhaltlich über weite Strecken des Films nicht viel. Ungeklärte Ereignisse fallen vor, ein Pferd stolpert über einen Draht und der Reiter bricht sich die Knochen, der Sohn des Barons wird in einer Scheune verdroschen und noch einige Akte der Gewalt und des Vandalismus mehr die darin gipfeln, dass der behinderte Sohn der Hebamme fast blind geprügelt wird. Zu den Gewaltakten wird zunächst kein Täter gefunden.
Es wird schnell klar, wie das Leben damals vonstatten ging. Vor allem die fehlende Bindung zu den Eltern ist hart, so wird der Vater immer mit "Herr Vater" angesprochen und die Mutter folgerichtig mit "Frau Mutter". Trotzdem herrscht zur Mutter offensichtlich ein entspannteres Verhältnis als zu den Vätern. Auch das die Dorfbewohner(bzw. nur eigentlich einer) dem Baron unmissverständlich zu verstehen geben das sie unzufrieden sind, indem sie ihm sein Kohlfeld "abrasieren" und der Baron daraufhin dem Schuldigen keine Aufträge mehr gibt(dieser also kein Geld mehr bekommt), erinnert einen zunächst mehr ans Mittelalter als an Deutschland Anfang 1900.
Sehr gut gefiel mir, dass immer wieder ein Sprecher aus dem Off die Geschehnisse etwas zusammenfasst und auch als Zeitraffer fungiert um einige Monate weiter zu springen. Der Sprecher ist auch der Hauptprotagonist, denn er ist der Dorflehrer.
Während das Fundament des Films also diese ungeklärten Gewalttaten sind, die einen Streit zwischen dem Baron und seiner Frau herbeschwören und auch sonst einige andere Hebel in Bewegung setzen, nimmt sich der Film zwischendurch viel Zeit das Leben in den verschiedenen Haushalten zu beleuchten. Besonders hervorzuheben sind hier die krassen Wortgefechte zwischen dem Dorfarzt und seiner Liebhaberin, einer Hebamme("Wieso stirbst du nicht einfach?") und das Verhältnis vom evangelischen Dorfpastor zu seinen Kindern, der seinem Sohn gar die Hände ans Bett fesselt damit der sich nicht in der Nacht selbst befriedigt.
Typisch für Haneke, zumindest in den beiden anderen Filmen die ich von ihm kenne, ist das erwähnen und spielen mit Gewalt. Neben den erwähnten Gewalttaten, die allesamt im Off passieren passiert auch das verdreschen der Kinder durch die eigenen Eltern hinter verschlossenen Türen. Der Zuschauer wird hier bewusst mit der Kamera ausgesperrt, was stellenweise ein sehr mulmiges Gefühl vermittelt.
In der letzten halben Stunde ziehen sich dann die Wolken zu. Der österreichische Tronfolger Franz Ferdinand wird in Sarajevo umgebracht und so kündigt sich langsam der erste Weltkrieg an. Auch scheint eine Lösung zu den ungeklärten Gewaltakten gefunden zu sein. Doch Haneke wäre nicht Haneke wenn das Ende nicht offen gehalten wäre. Er schmeißt dem Zuschauer noch einige Brocken Dorftratsch vor die Füße, wo vermutet wird wer es war und warum und dann ist der Film auch aus. Was man mit auf den Weg nehmen sollte ist wohl, was aus Kindern die mit solchen Methoden in solch einer "Gemeinschaft" erzogen werden wohl wird, wenn sie im ersten und besonders im zweiten Weltkrieg beteiligt sind aber auch in der heutigen Zeit "ohne" Weltkriege. In solch einer "Gemeinschaft" kann sich nur Hass aufstauen und der muss irgendwann entladen werden.
Insgesamt ist "Das Weiße Band" ein Film, den ich so wohl ohne Wissen niemals Michael Haneke zugeordnet hätte. Wenn man aber weiß das es ein Film aus seinem Schaffen ist, achtet man auch mehr auf die Details die ihn ausmachen und findet schnell Verbindungen zu seinem Stil. Der Film hätte ein paar Straffungen vertragen können, nichts desto trotz wird der Film nur selten langweilig trotz der stolzen Laufzeit von ca 135. Minuten. Augenscheinlich passiert meist nicht viel, aber der Einblick in diese Zeit die in Filmen doch oft eher vernachlässigt wurde zugunsten des zweiten Weltkriegs ist mal etwas anderes und eine gewisse Grundspannung zieht sich durch den gesamten Film. Das diese im Endeffekt im Finale sowieso nicht befriedigt wird, war irgendwo ja abzusehen.
8/10
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