Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt
Originaltitel: Scott Pilgrim vs. the World – Erscheinungsjahr:2010 – Regie: Edgar Wright
Darsteller: Michael Cera, Mary Elizabeth Winstead, Kieran Culkin, Chris Evans, Anna Kendrick, Brandon Routh, Alison Pill, Jason Schwartzman, Ellen Wong, Satya Bhabha, Mark Webber
Filmkritik: Da warte ich seit „Hot Fuzz“ nun bereits 3 Jahre auf einen Abschluss der Cornetto-Trilogie und dann kommt Regisseur Edgar Wright plötzlich mit einem gänzlich anderen Film um die Ecke. Der erste Trailer zu „Scott Pilgrim vs. the World“ machte damals schon direkt klar „Den Film muss ich sehen“ denn er versprach eine sehr launige Mischung aus Love-Story und allerhand nerdiger Abgefahrenheiten zu werden.
Scott Pilgrim (Michael Cera) ist eigentlich ein relativ normaler 21 jähriger aus Toronto, lebt in einer WG zusammen mit dem homosexuellen Wallace (Kieran Culkin) und ist überdies noch Bassist bei der Rockband "Sex-Bob-omb". Scott ist jetzt schon eine ganze Weile solo und hat, ein bisschen aus Verzweiflung, eine Romanze mit dem 17 jährigen asiatischen Schulmädchen(jedes Klischee ist erfüllt, check) Knives Chau (Ellen Wong) angefangen.
Doch gerade jetzt, als er auch Gefühle für Knives empfindet, taucht vor ihm die absolute Traumfrau auf: Ramona Flowers (Mary Elizabeth Winstead), Amazon-Liefergirl, hat es ihm direkt angetan. Liebe auf den ersten Blick. Und tatsächlich scheint auch sie nicht abgeneigt zu sein, mit ihm Zeit zu verbringen. Eine echte Beziehung kommt für sie aber noch nicht in Frage. Bei Ramona ist die Dating-Phase etwas länger als bei anderen Frauen ihres Alters, denn wer es mit Ramona ernst meinst, muss zunächst ihre sieben bösen Exfreunde besiegen. Diese haben sich vorgenommen jegliches Liebesleben von ihr bereits im Keim zu zerstören. Während eines "Battle of the Bands"-Wettbewerbs von Scotts Band, bei dem es um einen wichtigen Plattenvertrag geht, kriegt Scott mit seiner Band und seinen Freunden bald mehr als genug Gelegenheit, sich seiner Haut für die große Liebe zu erwehren, denn die Exfreunde kommen einer nach dem anderen in die Stadt und gehen nicht sehr zimperlich vor. Und dann gibt es da ja auch noch Scotts Exfreundin…
Selbst wenn man sich auf einen echt schrägen Film eingestellt hat, wird einen „Scott Pilgrim vs. the World“ wohl noch an vielen Stellen überraschen können. Ich hatte mit einem Film gerechnet der in die Richtung von „Kick-Ass“ geht, denn die beiden Filme liefern sich ja quasi den Kampf um den Nerd-Thron dieses Jahr. Aber die Welt die Regisseur und Drehbuchautor Edgar Wright hier gedreht hat ist noch ein gutes Stück abgedrehter als die Welt aus „Kick-Ass“, die bis auf ein paar Elemente ja im Grunde noch ganz normal daher kam. Das Kanada aus „Scott Pilgrim vs. the World“ ist beinahe durchweg total schräg und das Beste: Keinen der Charakter scheint es irgendwie zu stören. Da kämpft Scott mehrmals gegen die Exfreunde seiner bald-Freundin und tut dies ähnlich wie in einem Videospiel-Beat’em’Up. Die Gegner fliegen Meterhoch durch die Luft, er landet 50er Schlag-Combos und am Ende eines Kampfes verwandeln sich die besiegten Gegner in einen Haufen Münzen. Manchmal bekommt er gar ein Extraleben und quittiert die Frage „What are you doing?“ hübsch zweideutig beim Einsammeln des Lebens mit „Getting a life!“
Man muss kein Genie sein um zu erkennen das „Scott Pilgrim vs. the World“ wohl das wahre Nerdfest dieses Jahres geworden ist.
Das fängt ja schon bereits beim Titelscreen an. Die Universalkugel erscheint, ziemlich grob gezeichnet und dazu dudelt die Universal-Melodie im Synthie-8-Bit-Videospiel-Stil. Grandios!
Edgar Wright beweist aber auch wirklich ein tolles Händchen den Film super auszustatten aber eben auch nicht zu vollgestopft erscheinen zu lassen. Das Kanada ist „Scott Pilgrim vs. the World“ ist im Grunde sehr trist. Die Inneneinrichtungen erinnern irgendwie an verarmte frühe 80er Verhältnisse. Aber durch mal behutsame und mal brachiale Einschübe blüht diese Welt immer wieder in neuem Glanz auf. Da werden z.B. Umgebungsgeräusche wie in einem Comic direkt in die Welt geschrieben(„riiiiiiing“ wenn das Telefon klingelt). Persönliches Highlight dieser Darstellungsformen ist aber der Pinkelbalken der auf dem Klo erscheint und sich dort beim Wasserlassen leert.
Die Story an sich ist im Kern eine recht typische Coming-of-Age Geschichte und Michael Cera ist hier auch erneut der Prototyp des Typecast. Er spielt zum dutzendsten Mal seine Rolle aus „Arrested Development“ nach. Dies stört aber erneut nur kaum, denn erstens ist Cera in der Rolle nun einmal wirklich überzeugend und andererseits sorgt Edgar Wright ja dafür, dass es so ganz und gar nicht bei einer normalen Coming of Age Geschichte bleibt. Auch die restlichen Darsteller wissen zu gefallen. Der Homosexuelle WG-Partner ist zwar lediglich Überbringer des trockenen Humors, aber das bekommt er ebenso gut hin wie Ellen Wong und Mary Elizabeth Winstead ihre Rollen als neue Flamme an der Seite von Scott. Besonders Wong, die sich vom netten Schulmädchen zur Scott-Stalkerin entwickelt, spielt einfach herrlich.
Laut Wrights Aussage hat er den Film ähnlich wie ein Musical aufgezogen, aber immer dann wenn die Figuren in einem Musical singen würden, würden Sie in „Scott Pilgrim vs. the World“ anfangen zu Kämpfen. Scott muss im Film wirklich alle 7 Exfreunde von seiner neuen Flamme besiegen. Zunächst sind diese Kämpfe auch herrlich kreativ und gelungene. Da wird der erste Kampf im Bollywoodstil aufgezogen, eine Art Battle of the Bands wird später zum virtuellen Kampf eines Chinesischen Drachens gegen einen Rock-Golem und wieder ein anderer Kampf ist eine Art „Guitar Hero“ an der Bassgitarre.
Aber so witzig wie diese Kämpfe auch sind, meint es Wright in der letzten Hälfte seines Films damit etwas zu gut. Das plötzliche Einführen des Jason Schwartzman Charakters(als eine Art Endgegner) was dazu führt, dass das gesamte Ende irgendwie ein bisschen aus dem Ruder läuft, ist wohl der einzige etwas störende Faktor des Films, den zum Ende hin habe ich irgendwie die Bindung zum Film verloren. Herrlich eingebaut ist dafür aber der typische Continuezähler vor dem Abspann.
Zudem konnte man leider, im Gegensatz zu vielen anderen Filmen mit dieser Grundthematik, in „Scott Pilgrim vs. the World“ nie so recht mit der Beziehung von Scott und Ramona mitgehen.
„Scott Pilgrim vs. the World“ ist definitiv kein Film für Jedermann was auch den Bauchklatscher am amerikanischen Box-Office erklärt. Es ist ein Nerdfilm, aber dabei nicht so oberflächlich und platt für die Massen wie z.B. die Serie „The Big Bang Theory“. Für „Scott Pilgrim vs. the World“ muss man einige Sachen wirklich aus Überzeugung mögen oder man ist im Film verloren. Seien es klassische Konsolenspiele, Comics oder zumindest Filme die in ihrer Darstellungsweise weitestgehend einzigartig sind. Neben „Sin City“ ist „Scott Pilgrim vs. the World“ wohl der zweite Film der es schafft eine Comicwelt ziemlich überzeugend auf den Bildschirm zu transportieren. Leider findet der Film irgendwann aber keinen rechten Weg mehr aus seiner Story und kippt dem Zuschauer eine finale Ladung Beat’em’Up und Schrägheit entgegen, was die herrlich aufgebaute Stimmung leider ein wenig trübt. Grob 3/4 des Films sind aber wahrlich ganz großes Nerdkino, und wissen visuell wie auch Storytechnisch sehr zu gefallen. Gerne mehr davon.
Filmbewertung: 8/10
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