Rubber
Originaltitel: Rubber – Erscheinungsjahr:2010 – Regie: Quentin Dupieux
Darsteller: Thomas F. Duffy, Haley Ramm, Jack Plotnick, Courtenay Taylor, Wings Hauser, Blake Robbins, Roxane Mesquida, Remy Thorne, David Bowe, Stephen Spinella, Devin Brochu, Hayley Holmes
Filmkritik: Ein Pfad mitten in der Wüste Texas. Mehrere Stühle stehen versetzt auf dem Pfad, ein wirkliches Muster ist nicht erkennbar. Am Ende des Pfads steht ein ängstlicher Mann mit den Händen voller Ferngläser. Am anderen Ende des Pfads fährt ein Auto auf den Mann zu und fährt auf diesem Weg jeden einzelnen der Stühle um. Der Wagen hält, der Kofferraum geht auf, ein Polizist steigt aus. Er geht zur Fahrertür, bekommt vom Fahrer ein Glas Wasser, geht dann direkt auf die Kamera zu und fragt das Publikum: „In the Steven Spielberg Movie „E.T.“, why is the Alien brown?“ Er stellt noch mehr solcher Fragen und erklärt, das in jedem Film viele Dinge so sind wie sie sind, einfach ohne Grund, „No Reason“. Er kippt das Glas Wasser aus ohne auch nur einen Schluck getrunken zu haben, gibt das Glas an den Fahrer zurück und steigt in den Kofferraum. Das Auto fährt weg. Der Mann mit den Ferngläsern gibt diese an das Publikum mit dem der Polizist eigentlich gesprochen hat. Diese stellen sich auf einen Berg und sollen dort einen Film schauen. Weitere Erklärung gibt es nicht. Sofort suchen alle die Wüste ab, doch viel scheint nicht zu passieren. Doch halt, da hinten, dort bewegt sich ein Reifen, ganz von alleine…
Als ich auf dem letztjährigen Fantasy Film Fest von „Rubber“ gehört hatte, bzw. als ich auch nur den ersten Satz der Inhaltsangabe im Programmheft gelesen hatte, war mir klar das ich diesen Film sehen muss. Leider waren die Termine für den Film denkbar ungeeignet. Ich musste also auf die Veröffentlichung des Films warten. Diese war nun endlich vor kurzem in Frankreich.
„Oh my god, the kid was right, the killer is a tire“ Lieutenant Chad
Ja, in „Rubber“ geht es um einen Reifen. Er erhebt sich in der Wüste Texas aus dem Sand, rollt die ersten paar Meter noch recht unbeholfen daher, doch hat dann seinen Rhythmus gefunden. Von nun an rollt er frohen Mutes durch die Wüste, auf der Suche nach, naja, nach was eigentlich? Die meiste Zeit der Einführung verbringt der Reifen damit Sachen kaputt zu machen. Eine Plastikflasche und einen Skorpion überrollt der Reifen, der im Abspann als „Robert“ geführt wird, noch ohne große Anstrengungen. Für eine Glasflasche hingegen, muss er schon zu schwereren Geschützen greifen. Der Reifen stellt sich vor die Flasche, beginnt sich augenscheinlich schwer zu konzentrieren und die Flasche, bäm, explodiert. Gut, der Reifen hat scheinbar auch noch telepathische Kräfte, alles klar. Diese vollführt er alsbald auch am Lebenden Objekt, was einem Hasen und einem Vogel nicht so gut bekommt. Und schon bald zerplatzen auch die ersten Köpfe.
„Come on, it’s not real life. Look at you, you have a stuffed toy alligator under your arm” Lieutenant Chad
Aber worum geht „Rubber“ denn nun eigentlich? Nunja, vor allem macht sich der Film über das Publikum an sich lustig. Wie es „alles frisst“ was die Filmemacher ihm vorsetzen ohne darüber nachzudenken. Dies wird in „Rubber“ zunächst nur anhand des wirklichen Films angedeutet, doch wenn den Zuschauern ein vergifteter Truthahn serviert wird, und sich alle bis auf einen Mann im Rollstuhl wie die Aasgeier über diesen hermachen, bebildert Regisseur Quentin Dupieux diesen Umstand auch noch dementsprechend.
Der Film durchbricht in schöner Regelmäßigkeit die „fourth wall“, also die imaginäre vierte Wand zwischen Film und Zuschauer. Zu Beginn redet der Polizist bereits direkt in die Kamera, aber auch im späteren Verlauf wird dieses Stilmittel immer wieder genutzt, vor allem dann wenn der Film für die Macher bereits vorbei ist, denn eigentlich sollten alle Zuschauer durch den Truthahn bereits tot sein. Der Polizist vom Anfang erklärt allen Protagonisten des Films, dass doch alles nur ein Film sei, lässt auf sich schießen ohne zu sterben und bittet doch alle jetzt nach Hause zu gehen. Doch einer hat nicht vom Federvieh gekostet, das Publikum lebt noch, einer will das Ende sehen egal ob es ihm gefällt oder nicht, der Film muss weiter gehen, der Reifen muss zur Strecke gebracht werden.
„Hey, wait it’s not the end! He’s been reincarnated as a tricycle!“ Man in wheelchair
“Rubber” ist ein Experimentalfilm durch und durch. Die meisten Zuschauer, die die Story lesen, werden wohl Kopfschüttelnd direkt zu einem anderen Film tendieren, aber „Rubber“ signalisiert, dass die Filmemacher dieser Tage doch noch nicht so unkreativ und ideenlos sind wie man immer das Gefühl hat. Mit „Rubber“ schafft es Regisseur und Autor Quentin Dupieux(Künstlername: „Mr. Oizo“) beinahe spielend dem Publikum einen mordenden Reifen auf die Augen zu drücken. Dabei geht es in „Rubber“ ja gar nicht um den Reifen, der Reifen könnte auch jeder andere bescheuerte Gegenstand sein, aber ein Reifen rollt zumindest einfacher als ein Stein. „Rubbers“ „no reason“ Mentalität ist großartig und der Film kostet dieses Motto 75 Minuten lang voll Freude aus. Ein echter Geheimtipp.
Filmbewertung: 8/10
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