Hobo with a Shotgun
Originaltitel: Hobo with a Shotgun – Erscheinungsjahr:2011 – Regie: Jason Eisener
Darsteller: Rutger Hauer, Gregory Smith, Robb Wells, Brian Downey, Jeremy Akerman, Nick Bateman, Molly Dunsworth, Mark A. Owen, Michael Ray Fox, David Brunt, Glen Matthews, Scott Vrooman
Filmkritik: Ein „Hobo“ oder zu Deutsch Obdachloser (Rutger Hauer) wandert durch die Gegend und kehrt auf seinem ziellosen Pfad in der Stadt Hopetown ein. Die Stadt wird von ruchlosen Verbrechern regiert, Arbeitslosigkeit, Vergewaltigung und brutale Gewalt sind an der Tagesordnung. Der Hobo scheint nicht sonderlich beeindruckt zu sein von dieser verkommenen Stadt, er hat scheinbar schon ähnliches oder gar schlimmeres gesehen. Aber Scumtown, wie die Stadt passend umgetauft wurde, bringt das Fass dann doch zum überlaufen. Regiert wird dieses Moloch von „The Drake“(Brian Downey) und seinen beiden degenerierten Söhnen Slick und Ivan(Gregory Smith, Nick Bateman) und diese Drei sind auch diejenigen die dem Hobo etwas zu sehr auf den Fuß treten. Nach einer brutalen Folter, bei der sie ihm „Scum“ in die Brust schlitzen, kauft der Hobo von seinen 50$ doch keinen Rasenmäher um seine eigene Rasenmäh-Firma zu gründen, sondern investiert in eine Schrotflinte und eine ganze Menge Patronen. Es wird aufgeräumt in Scumtown und schnell wird klar, den Namen muss die Stadt bald wieder ändern…
„Hobo With a Shotgun“ basiert, das wissen wohl die meisten, auf einem der Faketrailer aus dem Tarantino/Rodriguez Film „Grindhouse“. Der Trailer zu „Hobo with a Shotgun“ lief allerdings nur in den Kanadischen Kinos als zusätzlicher Trailer, im Rest der Welt wurde er eher durchs Internet bekannt. Als die Nachricht verkündet wurde, dass es aber neben „Machete“ auch der Hobo auf die Leinwand bzw. zumindest auf DVD schaffen wird, war die Freude bei den Fans groß. Noch größer wurde diese Freude aber, als klar wurde das niemand geringeres als Rutger Hauer die Hauptrolle übernimmt. Yeah!
„Hobo with a Shotgun“ beginnt klassisch. Ein Fremder kommt mit dem Zug in die Stadt. Sein Name: Hobo. Einfach und simpel wird die Figur von Rutger Hauer eingeführt und er spielt diesen zerknirschten Charakter am Ende der Nahrungskette einfach exzellent. Er ist sicher nicht die einzig mögliche Besetzung der Figur, aber er ist definitiv eine der Besten.
Was früh im Film bereits auffällt ist die sehr extreme Farbgebung. Die Welt erstrahlt zunächst in grellen, dick aufgetragenen Farben. Scherzhaft sagte ich kurz nach Beginn des Films schon „feinstes Technicolor“ dazu, um dann umso überraschter festzustellen, dass ebendies wirklich im Vorspann erwähnt wurde. Man kann sich zwar nur schwer vorstellen, dass der Film wirklich noch mit dem Technicolor verfahren erstellt wurde, aber die Überraschung hatte der Film bereits früh auf seiner Seite. Mit zunehmender Spieldauer, wird der Film dann meist in dunklere, dreckigere Farben getaucht. In Scumtown regiert vor allem rot, blau und schwarz.
Die Geschichte läuft, durchzogen von einigen Gewaltspitzen die zwar hart sind aber man so auch erwartet hat, eine ganze Zeit lang in recht bekannten Bahnen ab. Zwar kann der Film durch Hauer und die interessante Farbgebung dem ganzen Setting ein paar neue Akzente abgewinnen, aber eine gewisse Zeit lang scheint der Film fast zu brav zu sein.
Der Hobo lernt früh im Film die Prostituierte Abby(Molly Dunsworth) kennen. Sie nimmt die Rolle der beschützenswerten jungen Frau ein, die im Genre gerne mal herangezogen wird. Doch sie beweist später, dass sie ebenfalls gut zulangen kann.
Man könnte sagen, dass „Hobo with a Shotgun“ die gesamte erste Hälfte des 90 Minuten langen Spektakels den Zuschauer zwar zu unterhalten weiß, aber bis dahin nicht viel liefern kann, was man nicht ohnehin vom Film erwartet hätte.
Dies ändert sich dann aber schlagartig in Hälfte zwei, denn plötzlich scheinen im Erstlingswerk von Regisseur Jason Eisener alle Dämme zu brechen. Er läutet diesen Umschwung stilecht damit ein, dass einer der Söhne vom Drake einen Schulbus samt Kindern mit einem Flammenwerfer anzündet. Zwar ist diese Szene, wie auch der weitere Rest des Films, teils sehr grotesk überzeichnet, hart ist die Szene dennoch. Die FSK wird an dem Film keine Freude haben, so viel steht fest.
Ab diesem Zeitpunkt, bei dem auch Rutger Hauer der Hut immer mehr hochgeht, fängt der Film an sämtliche Ideen die dem Drehbuchschreiber einfielen in den Film zu schmeißen. Funktionierte das z.B. bei „Crank 2“ nicht, gelingt dies bei „Hobo with a Shotgun“ umso besser. Hier wird auf Menschlichkeit, gutes Benehmen, Anstand und vor allem auf eine Altersfreigabe geschissen und ordentlich Rambazamba betrieben. Höhepunkt der beeindruckenden „Tour de Hobo“ sind ganz gewiss „The Plague“. Zwei, in Ritterrüstungen verkleidete Gestalten, die in einer Art Festung leben und scheinbar Auftragskiller sind, direkt aus der Hölle emporgestiegen. Sie machen Jagd auf den Hobo und dabei keine Gefangen, außer dem Hobo selbst. In Ihrem Unterschlupf trifft man noch auf die eine oder andere Überraschung, u.a. die unvermeidbare Trophäenwand auf der zu erkennen ist, dass die zwei neben Jesus und Abraham Lincoln sogar den Osterhasen auf dem Gewissen haben. Badass!
Man merkt, die zweite Hälfte ist völliger Blödsinn auf krassem Niveau. Aber „Hobo with a Shotgun“ macht gerade hier verdammt viel Spaß, wohl auch weil man nach der, zwar blutigen aber im Vergleich wirklich noch recht bodenständigen ersten Hälfte, mit so einem wirren Chaos nicht mehr gerechnet hat.
Der Ruhepunkt des Films ist bei all diesem bunten Treiben immer wieder die Figur des Hobos bzw. Rutger Hauer. Passiert um ihn herum ein schräger Moment nach dem nächsten, starrt er weiterhin mit versteinerter, zerfurchter Mine seinem Ziel entgegen. Es ist dieser Kontrast, aus dem ernsten Hauer-Charakter und dem typischen Wahnsinn in einer Fantasiestadt wie Scumtown, die das Herzstück von „Hobo with a shotgun“ darstellt. Ohne ihn würde der Film schnell in bizarre Regionen abdriften und der völlig überzeichnete, tiefschwarze Humor des Films würde wohl weit weniger zünden. Ein Fixpunkt im Auge des Chaos.
Aber es ist auch einfach die überzeugende grundehrliche Mentalität mit der die Macher an den Film herangegangen sind. Hier wurde ein Werk geschaffen, das derart rau und ungeschliffen ist, dass man wirklich froh sein muss, dass das Teil aus Kanada kommt. Bis auf Ruger Hauer und den Drake ist der Film nur mit unbekannten Gesichtern besetzt. Anders als bei „Machete“, bei dem Figuren wie Jessica Alba auch mal als deplatziert bis störend empfunden werden konnten, funktionieren beim Hobo alle Charaktere so wie sie sollen, egal wie wahnsinnig sie auch sind.
„Hobo with a Shotgun“ ist ein großer Spaß geworden aber sollte wohl wirklich nur an hartgesottenere Fans gerichtet sein. Machart und Härte des Films schmecken ganz bestimmt nicht jedem und die Verrücktheiten die der Film in Hälfte 2 zelebriert, könnten von dem ein oder anderen gar als kompletter, gar langweiliger Schwachsinn abgetan werden. Aber es ist diese auch Mischung aus surrealen Elementen und den bodenständigereren Szenen des Films, die aus „Hobo with a Shotgun“ einen derart coolen Film machen.
Filmbewertung: 8/10
executor meint dazu:
Meinem werten Herr Kollegen kann ich da nur zustimmen. Mit den durch digitale Red-Mysterium-X Kameras, geführt von Karim Hussein und verfeinert mit state-of-the-art New Age Technicolor, eingefangenen Bildern voller bunter Brutalitäten feiert Erstlingsregisseur Jason Eisener hier eine krasse Gewaltorgie ab, die sofort jedem möglichen Gedanken an „Political Correctness“ nicht nur den Finger zeigt, sondern diesen gleich, um im Stil des Films zu bleiben, in den Allerwertesten steckt.
Wie in den frühen Troma-Streifen der beginnenden 80er Jahre gibt es hier kein Halten und so kann dieses aus dem Bauch heraus gefilmt wirkende Ungetüm von einem Film allein durch die ureigene „Voll in die Fresse“-Attitüde punkten. Sonderlich überlegt ist der Storyaufbau, die Einführung oder generell der gesamte Streifen nicht, Gaudi, Gaudi und nochmals Gaudi ohne angezogene Handbremse steht im Vordergrund. Jedes Mal, wenn nicht Rutger Hauer im Bild ist und eine kurze Pause zwischen den absurden Abartigkeiten eingelegt wird, kommt das leider bös zur Geltung. Aber es ist eben ein zweischneidiges Schwert, denn diese ungeschliffene Ausrichtung ist sowohl der großer Plus- wie auch Minuspunkt der Produktion.
Normalen Zuschauern wird der „Hobo“ wohl wie zerkaute Glasscherben im Halse stecken bleiben, Trash- und Exploitationfreunde mit Hang zu tromatischen Ausflügen dürfen schon mal in die Hände klatschen. In die aktuelle „New Grindhouse“ Ausrichtung passt der Streifen wie die Faust aufs Auge und gibt sicherlich ein großartiges Double-Feature mit dem deutlich zahmeren „Machete“ als Einstiegsfilm ab.
Filmbewertung: 7/10
Doppel-Review-Notenschnitt: 7,5/10 |
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