Madagascar 3 – Flucht durch Europa
Originaltitel: Madagascar 3 – Europe’s Most Wanted – Erscheinungsjahr: 2012 – Regie: Eric Darnell, Tom McGrath, Conrad Vernon
Stimmen (O-Ton): Ben Stiller, Chris Rock, David Schwimmer, Jada Pinkett Smith, Bryan Cranston, Jessica Chastain, Martin Short u.A.
Filmkritik: Bei jedem Trip braucht man etwas, das einen an die Realität bindet. Einen Sicherheitsanker sozusagen. Im Falle dieses Reviews nehmen wir dazu doch gleich einmal zu Beginn den Inhalt und eine gute Portion Hunter S. Thompson:
Fear And Loathing In Madagascar – “There was madness in any direction, at any hour.”
Die vier Tiere auf Abwegen Alex (Löwe), Marty (Zebra), Melman (Giraffe) und Gloria (Nilpferd) sind immer noch in der afrikanischen Steppe gestrandet und die tüftelnden Pinguine sind abgehauen nach Monte Carlo. Klarer Fall: Die furchtlosen Vier (samt Sidekick-Gepäck in Form von „King Julian“ und Co.) machen sich auf die Pinguine zu finden, um mit deren Hilfe zurück nach Hause, nach New York, zu kommen. Soweit der Plan. Schnell regiert natürlich wieder das Chaos und die Tierfängerin Capitaine DuBois ist hinter den Protagonisten her. Und das nicht zu knapp. Diese bizarre Frau hat „bereits als ich klein war eine Schlange verprügelt und einen Goldfisch das Klo runtergespült“ und hat nun vor den Kopf von Löwe Alex an ihre Wand zu hängen. Keine rosigen Aussichten.
Nach einer Verfolgungsjagd, bei der DuBois den Terminator und/oder Wolverine aussehen lässt wie kleine Mädchen im Turnunterricht, können Alex und Co. sich in letzter Sekunde in einen Zirkuszug retten. Dort erfahren sie, dass der Zirkus, soweit ein amerikanischer Promoter zufrieden gestellt wird, sogar nach New York fahren wird. Die Freude ist groß, die Pinguine kaufen mal eben den Zirkus und dies ist nur der Startschuss für eine ganze Reihe weiterer Subplots.
Wenn sich dann der mitgebrachte Sidekick King Julian in eine debile Bärin verliebt, die Vorliebe fürs Radfahren hat; der russische Tiger Vitaly wieder lernen muss wie es ist durch Ringe, bzw. in diesem Fall wortwörtliche „Ringe“, also die Dinger für die Hand, zu springen; und und und, gibt es keine Sekunde Zeit zu verschnaufen. Zusätzliche Liebesgeschichte, Verwirrungen und pausenloses Chaos garantiert. Ganz zu schweigen davon, dass mit „FurPower“ der erste komplett von Tieren geleitete Zirkus der Welt gegründet wird und auch noch ein zentrales Motiv bildet.
“I was right in the middle of a fucking zoo circus, and somebody was giving booze to these goddamn things.”
Nach etwa zehn Minuten oder zehn Sekunden, die Erinnerung dahingehend wird immer verschwommener, gewöhnt man sich als “Außenstehender” an die verrückte Welt der Tiere aus „Madagascar 3“. Oder viel eher, man gewöhnt sich daran, an gar nichts gewöhnt zu sein.
Zur Linken starten ein paar besoffene kleine Hunde mit Zigarren im Mund und Raketenschuhen an den Füßen spiralförmig in den Himmel. Zur Rechten fährt ein sprechender Lemur auf dem Rücken eines debil schauenden Bären, der auf einem Motorrad Kunststückchen macht, seine Liebe bezeugend durch Rom. Unter weißer Schminke versteckt sich ein Schimpanse, unter dem eine von Pinguinen geleitete Kommandozentrale versteckt ist, um in einem Casino das große Geld abzuräumen. Über den Dächern von Monte Carlo findet eine Verfolgungsjagd irgendwo zwischen den „Three Stooges“ und "The Terminator" statt, bei der ein Affe mit einer Bananenkanone im Matrix-Modus auf eine grotesk aussehende Amtsdienerin schießt.
Jedes mal denkt man leise ein „so schnell wird mich nichts mehr irritieren“, nur um ein paar Sekunden später nicht nur das eigene, sondern auch das Realitätsverständnis der Macher zu hinterfragen. Dass die ganze Chose dabei in extrem 3D-Gimmicky-3D-Optik ist und pausenlos alle möglichen und unmöglichen Sachen auf den Zuschauer wortwörtlich abfeuert, macht es auch nicht unbedingt einfacher das Erlebte zu verdauen.
“The possibility of physical and mental collapse is now very real. Buy the ticket, take the ride.”
Wann immer sich jemand beschwert, dass ein Film sein 3D-Format “nicht richtig ausreizt”, so sollte man diesen Menschen direkt in “Madagascar 3” schicken. Angefangen bei Gesichtern, die ständig direkt durch die Leinwand zu kommen scheinen, über Bananen, Seelöwen oder generelle Explosionseffekte in unterschiedlichsten Ebenenstaffelungen, bis hin zu extremen Tiefeneffekten bei manch einer Slapstick-Verfolgungsjagd in schwindelerregenden Höhen: 3Diger wird es nicht mehr! Dabei unterstreicht die exzessive Verwendung des dreidimensionalen Formats die ohnehin schon exzessiv bizarre Geschichte, bei der alle paar Minuten ein neuer Subplot eingeführt wird. Überraschend ist dabei vor allem, dass trotz all der inhaltlichen wie audiovisuellen Ablenkung die Geschichte sogar bis zum Ende hin nicht den Überblick bei all ihren abgefahrenen Nebenhandlungen verliert.
“We can’t stop here. This is stereotype country!”
Auf ihrer “Flucht durch Europa” treffen die Zoo-, bzw. ab dem ersten Drittel Zirkus-Tiere natürlich auch auf all die verschiedenen Europa-Klischee-Figuren. Möchte man meinen. Aber jenseits von bizarren Momenten, wie etwa wenn Capitaine DuBois die französische Nationalhymne im Krankenhauszimmer ihrer Untergebenen singt, was diese im Nu wieder physisch gesunden lässt, oder etwa Martin Short als debile und ziemlich nervige Italo-Robbe Stefano, wird überraschend wenig aus dem Oberthema gemacht. Und das, obwohl sich zahlreiche Klischees richtig gehend anbieten.
Einzig ein Besuch beim Papst wird noch eingebaut, aber das war es dann schon wieder. Aus dem „Flucht durch Europa“-Ansatz hätte man viel mehr machen können, aber schließlich hat man gleichzeitig auch noch Haupthandlungen A bis D, sowie Subplots E bis T zu behandeln. Man kann schließlich nicht alles haben.
Ganz zu schweigen von der Mindfuckery, die ab dem letzten Drittel auf den Zuschauer wartet.
“Jesus. Bad waves of paranoia, madness, fear and loathing – intolerable vibrations in this place.”
In dem Moment, wo es im Film mit der Zirkus-Vorführung der Tiere so richtig los geht, mutiert die Optik plötzlich zu einer Mischung aus Starlight Express, "Tron Legacy" und dem Ende von "2001" auf LSD. Neon, Formen und Farben, sprechende Tiere, sprechende Tiere in Neonfarben und all das in 3D. Am Ende ist die berechtigte Frage: Ist dies nun „gute Familienunterhaltung“ oder ein bizarrer Scherz auf Kosten der geistigen Gesundheit der Zuschauer? Die Antwort ist „Ja!“
Bei der extremen Hibbeligkeit und Flippigkeit des Gezeigten gibt es pro Minute gefühlte fünf Gags, von denen meistens drei durchaus lustig sind, oder zumindest zum Schmunzeln einladen. Nervige Charaktere wie eben die von Martin Short gesprochene Robbe gibt es auch, aber keine Sorge, zwei Minuten später passiert schon wieder irgend etwas ganz anderes, so dass man bis zum nächsten Auftritt der nervigen Nebenfiguren diese bereits fast wieder vergessen hat.
Für all jene die SpongeBob, die anderen „Madagscar“-Streifen und generell ADHS mögen oder zumindest mal erleben wollen, wie es ist ein solcher Mensch zu sein, die dürfen sich gerne der „Flucht durch Europa“ anschließen. Das Herz ist dabei einmal mehr am rechten Fleck und in dem riesigen Berg an absurden Ideen und Figuren gibt es sogar einige echte Juwelen zu entdecken. Wo das Hirn derweil ist? Weg. Beschäftigt. Es hat während der gesamten Laufzeit mit dem filmischen Äquivalent eines „contact high“ zu kämpfen, welches aber glücklicherweise nach dem Verlassen des Kinosaales schnell abgeschüttelt werden kann. Also keine Sorge, nach einer kurzen Pause darf man sich beruhigt wieder hinters Steuer setzen um nach Hause zu fahren.
Von einem Fan der Serie habe ich mir ansonsten noch sagen lassen, dass „Madagascar 3 – Flucht durch Europa“ nun „wieder so gut wie Teil 1 ist, aber noch abgedrehter“. Wer also dem (pausenlos) überdrehten Humor zugetan ist, der darf ruhig noch einmal zwei weitere Punkte bei der Endwertung dazurechnen. In diesem Sinne:
“The decision to flee came suddenly. Or maybe not. Maybe I had planned it all along, subconsciously waiting for the right moment.”
Filmbewertung: 6/10
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