Killer Joe
Originaltitel: Killer Joe – Erscheinungsjahr 2011 – Regie: William Friedkin
Darsteller: Matthew McConaughey, Emile Hirsch, Juno Temple, Thomas Haden Church, Gina Gershon, Scott A. Martin, Gralen Bryant Banks, Carol Sutton, Danny Epper, Jeff Galpin, Marc Macaulay, Gregory C. Bachaud
Filmkritik: Drogendealer Chris (Emile Hirsch, „Into the Wild“) ist pleite und dazu noch hoch verschuldet. Aber er steckt den Kopf nicht in den Sand. Zusammen mit seinem Vater Ansel (Thomas Haden Church, „Sideways“) entwickelt er eine perfide Idee: Seine Mutter bzw. Ansels Ex-Frau, die nicht gerade durch Zuneigung und Liebe auf sich aufmerksam machte, soll das Zeitliche segnen. Doch der plötzliche Todeswunsch kommt nicht von ungefähr, denn ganz nebenbei würde auch noch ihre Lebensversicherung herausspringen, im Wert von 50.000$ und mit Chris kleiner Schwester Dottie (Juno Temple, „The Dark Knight Rises“) als Nutznießerin. Dafür wollen Chris und sein Vater den Killer Joe (Matthew McConaughey) anheuern. Er soll den Mordauftrag erledigen, sauber und diskret. Doch Joe wird stets im Voraus bezahlt und den notorischen Pleitegeiern fehlt der Lohn von 25.000$. Joe will zunächst ablehnen, offeriert dann aber das Angebot ihm statt des Vorschusses einfach Dottie anzubieten. Ansel und Chris willigen ein…
„You ever hear of Joe Copper? He’s a cop. A detective actually. He’s got a little business on the side.“
Viele Regie-Altmeister gibt es nicht mehr. Aber William Friedkin, Regisseur von Filmen wie „The Exorcist“, „The French Connection“, „To Live and Die in L.A.“ oder „The Hunted“ gehört in jedem Fall dazu. Umso größer war daher die Vorfreude als bekannt wurde, dass sein neuster Film „Killer Joe“ auf dem diesjährigen Fantasy Filmfest laufen sollte. Und sogar zu einer Zeit wo normale berufstätige Menschen den Film auch sehen können. Da lässt man sich als Filmfan nicht zweimal bitten.
„Killer Joe“ ist kein Film wie jeder andere. Basierend auf dem gleichnamigen Theaterstück von Tracy Letts, der auch das Drehbuch zum Film schrieb, brennt Friedkin hier eine Vorstellung ab die seines Gleichen sucht. Der Zuschauer begibt sich in die unwegsamen Untiefen der Unterschicht Amerikas und hat einen bitterbösen, derben aber auch herrlich satirischen Ritt auf der Rasierklinge vor sich.
„Do you like Texas? I mean everybody talks about it being this great place but it’s just a bunch of rednecks and hillbillies with too much space to walk around in.“
Dabei überzeugt der der Film vor allem durch seine klasse Schauspieler. Friedkin hat es trotz seiner abnehmenden Leinwandpräsenz in den letzten Jahren geschafft quasi ausschließlich Top-Schauspieler in seinen Film zu holen. Allein Matthew McConaughey als Killer Joe muss man einfach gesehen haben. Unmöglich zu beschreiben was er hier im Film alles tut, aber er spielt sich um den sprichwörtlichen Verstand. Thomas Haden Church auf der anderen Seite geht in eine völlig andere Richtung, verkörpert den extrem dämlichen Hillbilly, der nie so wirklich mitbekommt was um ihn herum passiert aber einfach herrlich treudoof. Gina Gershon und Emile Hirsch ergänzen den Cast wunderbar und vor dem mutigen, selbstwussten Schauspiel von Juno Temple muss man ohnehin den Hut ziehen.
Aber auch Storytechnisch weiß der Film einfach von vorn bis hinten zu überzeugen und die Wendungen kommen plötzlich und unerwartet. Unerwartet vor allem deswegen, weil die Leinwandpräsenz einzelner Figuren derart einnehmend ist, das man gar keine Chance hat die Geschichte schon mal zwischendurch im Kopf weiterzuspinnen.
"No, he was not okay. He set his genitals on fire."
Technisch holt Friedkin aus dem Stoff alles raus. Die Theaterherkunft des Stoffes merkt man zwar häufig, doch dies macht in erster Linie auch den Charme von „Killer Joe“ aus. Langes verharren an einzelnen Schauplätzen, keine Schnittstakkatos oder andere Sperenzchen. Die harten Schnitte die einzelne Szenen abrupt beenden und direkt die Nächste einläuten, oft in völlig anderem Kontext, wirken zunächst ungewohnt, erzeugen aber andererseits ein angenehmes Unwohlsein beim Zuschauer was dem Film sehr zuträglich ist.
Das Drehbuch wandert durchweg auf einem schmalen Grad. Da wird mit einem Augenzwinkern auf den dümmlichen Aktionen der Unterschichten-Amerikaner herumgeritten, nur damit einem in der nächsten Szene des Lachen im Halse stecken bleibt. Gewalttechnisch hält sich Friedkin zwar zurück, aber im Bereich der Sexualität hat er die Prüderie-Grenzen wohl wieder neu ausgelotet. Nach wenigen Minuten wird der Zuschauer (aber auch Emilie Herschs Figur) von einem haarigen Damenschritt begrüßt und auch (im Filmkontext) minderjähriges Full-Frontal-Nudity wird ungeniert gezeigt. Kein Wunder das dem Film in den USA das NC-17 Rating verpasst wurde („for graphic disturbing content involving violence and sexuality, and a scene of brutality“), welches den Film kommerziell quasi zur Totgeburt werden lässt, da er weder in vielen Kinos gezeigt wird noch in den großen Kaufhausketten ausliegen wird.
„Do you want me to wear your face?“
Die größte Entdeckung des Films ist aber wohl trotzdem Matthew McConaughey, der nach “The Return of the Texas Chainsaw Massacre” endlich mal wieder den wahnsinnigen Psychopathen raushängen lässt und voll in der Rolle aufgeht. Zusammen mit dem restlichen Ensemble, der packenden Story und den zahlreichen, toll geschriebenen Dialogen sowie dem völlig entgegen die Erwartungen inszenierten Ende, ist “Killer Joe” ein klassisches Brett von einem Film!
Filmbewertung: 9/10
P.S.: Ab 2. November auf Blu-ray.
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