Zeugin der Anklage
Originaltitel: Witness for the Prosecution – Erscheinungsjahr: 1957 – Regie: Billy Wilder
Darsteller: Tyrone Power, Marlene Dietrich, Charles Laughton, Elsa Lanchester, John Williams, Henry Daniell, Ian Wolfe, Torin Thatcher, Norma Varden, Una O’Connor, Francis Compton, Philip Tonge
Filmkritik: Der stoische Strafverteidiger Sir Wilfried Robarts (Charles Laughton) sollte sich nach einer Herzattacke eigentlich schonen. Doch er wird durch einen neuen Fall aus seiner Erholungsphase gerissen. Der Ehrenmann Leonard Vole (Tyrone Power) wird wegen Mord angeklagt. Er soll eine alte Dame ermordet haben, die er kannte und zu seinem Pech taucht er auch in ihrem letzten Willen auf.
Die Beweise scheinen also schwerwiegend zu sein, doch Sir Wilfried sieht eine Chance und zudem einen interessanten Fall. Entgegen dem Anraten seines Arztes nimmt er den Fall an. Doch dann kommt Vole’s Frau Christine (Marlene Dietrich) ins Spiel und das mühsam aufgebaute Plädoyer scheint wie ein Kartenhaus in sich zusammen zu fallen..
Neben „Anatomy of a Murder“ ist auch „Witness for the Prossecution“ ein weiterer großer Klassiker des Gerichtsfilms. Der britische Kriminalthriller aus dem Jahr 1957 basiert auf einem Theaterstück und hat aus diesem Grund ein etwas erweitertes Ende spendiert bekommen, was fast schon als Mindfuck durchgehen kann. Doch dieser letzte geschlagene Haken wirkt heute auch etwas zu gewollt und aufgesetzt.
Doch „Witness for the Prossecution“ lebt sowieso in erster Linie von seinen Darstellern und geschliffenen Dialogen. Allein Charles Laughton als Anwalt, der seine Krankenschwester nach allen Regeln der Kunst runterputzt, Verdächtige mit seinem Monokel im Verhör blendet und auch sonst auf alles eine passende Antwort hat ist herrlich anzuschauen und eine enorme Bereicherung für den Film.
Tyrone Power als Hauptverdächtiger hingegen ist leider ein klein wenig fehlbesetzt. Immer dann wenn er wirklich schauspielern muss, driftet er direkt zum Overacting ab. Hier liegen klar die Schwächen der Figurenschar. Marlene Dietrich als chronisch unterkühlte Christine macht dies aber locker wieder wett. Ihr Schauspiel ist schlicht beängstigend.
Leider verzichtet der Film nicht wie „Anatomy of a Murder“ auf seine Rückblenden, denn diese reißen einen stellenweise immer wieder aus der Situation heraus. Wirklich gewichtig sind die Rückblenden zudem auch nicht, da der Mord auch hier nicht gezeigt wird und bis zum spektakulären Schlussakkord Frage aufwirft. Eine Rückblende wird sogar lediglich als Vehikel genutzt um wenigstens eines von Dietrichs Beinen zu präsentieren. Verzichtbar nach heutigen Maßstäben, aber damals wohl scheinbar ein Must See.
Die Szenen im Gericht sind nicht ganz so mitreißend wie bei anderen Genre-Klassikern, zentrieren sich zudem sehr stark um die Titelgebende „Zeugin der Anklage“ deren Zuordnung man nie so ganz einordnen kann und die, offensichtlich, für den großen Clou des Films herhalten muss. Die Macher hatten derartig viel Angst, dass der Film ein Flopp werden könnte, das nach dem Film noch ein Sprecher darauf hinweist, doch bitte keinem Bekannten das Filmende zu verraten. „Spoileralert“ bereits im Jahre 1957.
So ganz kann der Film seinem allzu guten Ruf nicht (mehr) gerecht werden. Die Geschichte wirkt stellenweise etwa eingeengt und wie auf Schienen, was auch dem Theaterursprung geschuldet sein muss. Die Darstellerleistungen sind teilweise sehr beachtlich, das Drehbuch ist pfiffig und stellenweise hübsch ironisch und insgesamt kann der Film über seine Laufzeit von knapp 2 Stunden fesseln. Doch das aufgesetzt wirkende Ende hinterlässt leider einen etwas faden Nachgeschmack.
Filmbewertung: 8/10
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