Zero Dark Thirty
Originaltitel: Zero Dark Thirty – Erscheinungsjahr: 2012 – Regie: Kathryn Bigelow
Darsteller: Scott Adkins, Taylor Kinney, Jessica Chastain, Frank Grillo, Mark Duplass, Mark Strong, Chris Pratt, Joel Edgerton, Harold Perrineau, Kyle Chandler, Stephen Dillane, James Gandolfini u.A.
Filmkritik: Nein, „The Hurt Locker“ fand ich bereits erschreckend überbewertet, aber im Nachhinein wirkt dieses „tödliche Kommando“ im Gegensatz zu „Zero Dark Thirty“ schon wie ein Oscar-Kandidat. Was er ja auch, überzogenerweise, war. Bei „Zero Dark Thirty“ dürften sich alle Beteiligten nun gedacht haben: „Oh, das ist also die Richtung in der wir Erfolg haben? Na, dann produzieren wir jetzt mal DEN amerikanischen Oscar-Anwärter überhaupt!“ und, mein Gott, ist die Bigelow damit auf der Nase gelandet.
Drei Stunden des Wartens
Der Streifen, welcher die Ergreifung von Osama Bin Laden schildert, startet ganz stilecht bei einer grimmigen Folter-Befragung irgend eines „Turbankopfs“, bei der die neue Agentin Maya (Jessica Chastain) vor Ort ist. Ihre Wandlung vom Neuling zum Macher ist flott und eine Agentin mit der sie sich anfreundet wird durch eine Autobombe getötet. Nach etlichen Hinweisen und Jahren wird ein mysteriöses Haus gefunden, in dem scheinbar jemand lebt, der monatelang darauf achtet nicht gesehen zu werden. Zugriff, Osama wird erschossen und die tapfere Agentin kann erst jetzt ihre ganzen Emotionen herauslassen und weint bitterlich auf dem Heimweg, denn nach vollendeter Arbeit ist ihr Leben leer und sie weiß nicht, was als nächstes folgt. Abspann, Oscar, danke schön.
Dabei fühlen sich die knapp drei Stunden Film von „Zero Dark Thirty“ an wie mindestens fünf, die Optik ist zwar gelungene, ebenso wie die Darsteller ihre Sache gut machen, aber eben auch nur dann, wenn das Drehbuch, welches schizophren zwischen Doku-Haltung und Spielfilm-Ansatz schwankt sich mal wieder dazu entschließt auf eben jene einzugehen. Aus der eigentlich vorhandenen, langen Spieldauer wird rein gar nichts gemacht. Ansatzweise wird über die Folterskandale berichtet, aber eben auch nur das, keine Aufarbeitung, keine Auseinandersetzung, nichts, mit dem man generell anecken könnte. Einzig das scheinbare Verlorensein innerhalb von zahlreichen Hinweisen, Informationen und Missinformationen wird hier auf epische Breite ausgestreckt, so dass man als Zuschauer nach sechzig Minuten auch Feuer und Flamme dafür ist, dass Osama endlich gefangen wird.
Nicht, weil Motivation oder Handlung Spannung aufkommen lassen, nein, sondern weil man will, dass diese endlose Qual des Wartens endlich vorbei ist. Vielleicht war dies dann ja auch das Ziel der Bigelow: Den Zuschauer aktiv in die ewige Warterei einzubinden, ihn genauso zu quälen wie ihre marginal charakterisierten Protagonisten. Selbst die finale Ergreifung ist so langsam, dass sie einfach unter Wasser stattfinden könnte. Nur leider ist eben statt quälender Anspannung schlicht die quälende Langeweile das, was den Zuschauer nachher erreicht.
Oscar-Anbiederung Deluxe
Mit seinem zwischen die Stühle setzenden Inszenierungsstil, welcher alle dreißig, fünfundvierzig Minuten durch eine Autobombe oder ähnliches aus der Gehirnstarre ruft, hat Bigelow allerdings einen Streifen geschaffen, der wie das Proto-Beispiel eines typischen Hollywood-Oscar-Gewinners aussieht. Amerikanische, zeitbezogene Geschichte, zurückhaltende Pseudo-Doku-Atmosphäre mit harten Charakteren die bei zwei, drei „Charaktermomenten“ eine Vielschichtigkeit erahnen und mindestens einmal komplett die Tränen kullern lassen.
Dabei ist etwa sowas wie „French Connection“ ein Beispiel dafür, wie man die realistische Attitüde dennoch filmisch inszenieren kann, hier jedoch ergeht sich der naturalistische Anspruch in ewiger Langeweile, ewigem Warten und ewigen Diskussionen über die kleinsten und wahrscheinlich meist falschen Informationen.
Wie gesagt: Dies ist ein Stilmittel, welche sicherlich „direkt in die Atmosphäre“ einbinden und den Zuschauer die Verfolgung hautnah beigebracht werden soll.
Nach dem großartigen „Argo“ ist es aber wahrlich unglaublich, dass dies alles hier bei „Zero Dark Thirty“ auch nur ohne das Mindestmaß an Spannung geschieht. Es gibt keinerlei Deadline, keinerlei Bedrohung und keinerlei wirklich im Film thematisierten Grund, der noch einmal die Ergreifung behandelt. Gar nichts. Es gibt einzig das Warten und viele, viele typische Oscar-Klischees.
Und das Erschreckendste dabei? „Zero Dark Thirty“ hat die große Chance mehrere der kleinen Goldjungen mit seiner ultra-manipulativen Oscar-Abzockermentalität einzustecken.
In diesem Sinne: Wir raten ab!
Filmbewertung: 3/10
C4rter sieht das alles irgendwie komplett anders:
Was den Kollegen hier geritten hatte, fragte ich mich ja bereits nachdem er schnaubend von der damaligen Pressevorführung zurück kam. Da musste ich mir pünktlich vor der Oscarverleihung selbst ein Bild von machen…und konnte meinen Augen kaum trauen. Denn: „Zero Dark Thirty“ ist ein wirklich packendes, teilweise stark unterkühltes aber auf gewissener Ebene doch emotionales Stück Terror/Polit-Thriller, das in seinen 150 Minuten Laufzeit nur selten einmal die Beziehung zum Publikum verliert.
Selbst die oftmals gescholtene erste Stunde, die sich vornehmlich auf Folter und Einführung von gewissen Charakteren beschränkt, ist auf seine Art packend und weiß bereits hier wo es den Zuschauer packen muss. Das Ende des Films ist klar, aber das war es bei „Lincoln“ auch. Doch der Weg dahin ist das eigentlich interessante. „Zero Dark Thirty“ wirft ein faszinierendes Bild auf eine viele Jahre dauerne Jagt, bei der jeder kleine Strohhalm eine heiße Spur sein kann, oder jeder Wink mit dem Zaunpfahl der völlig falsche Ansatz.
Jessica Chastain spielt die Jahr um Jahr immer zerissenere, aber auch immer zielstrebigere Agentin quasi perfekt.
Ohne Frage ist „Zero Dark Thirty“ kontrovers, trotzdem kann man dem Film kaum vorwerfen eine engstirnige Betrachtung der Geschehnisse zu zeigen, dafür geht der Film mit seinen eigenen Charakteren viel zu sehr ins Gericht.
„Zero Dark Thirty“ ist 150 Minuten lang tolles Spannungskino, das teils frappierend an die aktuelle Serie „Homeland“ erinnert und sich auch in Sachen Spannungserzeugung an diesen und ähnlichen Serien und Filmen orientiert. So gelingt Kathryn Bigelow ein Werk, welches klar besser ist die gesteckten Erwartungen.
Filmbewertung: 8/10
Doppel-Review-Notenschnitt: 5,5/10 |
Neueste Kommentare