Liebe
Originaltitel: Amour – Erscheinungsjahr 2012 – Regie: Michael Haneke
Darsteller: Isabelle Huppert, Jean-Louis Trintignant, William Shimell, Emmanuelle Riva, Rita Blanco, Laurent Capelluto
Filmkritik: Georg (Jean-Louis Trintignant) und Anna (Emmanuelle Riva) sind um die 80, kultivierte Musikprofessoren im Ruhestand. Die Tochter, ebenfalls Musikerin, lebt mit ihrer Familie im Ausland. Eines Tages erleidet Anna einen leichten Schlaganfall. Eine Operation zur Vermeidung eines zweiten, schlimmeren Schlaganfalls geht schief. Als sie aus dem Krankenhaus nach Hause kommt, ist sie rechtsseitig gelähmt. Es beginnt eine Bewährungsprobe für die Liebe des alten Paares.
„Älter werden“, man kann wohl davon ausgehen das jeder der dazu sagt „habe ich keine Angst vor“ sich das Leben im Alter rosiger ausmalt als es wahrscheinlich für viele sein wird. Wie Michael Haneke zu Beginn von „Amour“ das liebenswerte Pärchen Georg und Anna darstellt, so oder so ähnlich kann sich fast jeder wohl seinen Lebensabend vorstellen. Gemütlich mit dem Ehepartner in den eigenen Vier Wänden sitzen, gemeinsam das Theater oder ein Konzert besuchen und die Früchte des arbeitsamen Lebens zuvor genießen.
Doch jäh hält die Realität Einzug in diese traute Zweisamkeit. Mit gewohnt wenig Ankündigung und entsprechend kühler Härte, rückt Haneke die Voraussetzungen in seinem Film zurecht. Der Schlaganfall von Anna kommt trotz zuvor bekanntem Kurzinhalt überraschend, da Haneke besonders Wert auf eine schockierende aber auch realistische Darstellungsweise legt. Wie Anna plötzlich apathisch in der Küche sitzt, wirkt einfach schaurig.
Als dann zunächst alles gut gegangen zu sein scheint, scheut sich Haneke nicht die Keule ein weiteres Mal rauszuholen. Der unaufhaltsame Strudel kommt so immer schneller in die Gänge.
Wie Anna nach und nach die Lebensqualität entzogen wird, sie die zuvor große Lust am Leben mit jedem Tag mehr und mehr verliert und dabei auch ihren Liebenden Ehegatten mit hinunterzieht, tut einfach weh. Wer ähnliches nur im Ansatz an einem Verwandten erlebt hat, verdaut gezeigtes nur noch schwerer. Haneke gelingt eine erschreckend lebensnahe Darstellung, da auch seine Erzählung auf wahren Begebenheiten aus seinem Familienumfeld basiert.
Neben dem Drehbuch von Haneke selbst sind es aber natürlich vor allem die Darsteller die „Amour“ derartig intensiv und mitreißend machen. Jean-Louis Trintignant als Ehemann und Emmanuelle Riva als seine vom Leben bestrafte Gattin spielen, ganz abgesehen vom hohen Alter der Darsteller, ansatzlos fantastisch. Die Nominierung für Emmanuelle Riva ist definitiv voll verdient.
Zusätzlich kommt die gewohnte starke Kameraführung von Haneke dazu, die für Erstzuschauer wohl teils zunächst etwas verstörend wirken dürfte. Kenner, die sein Schaffen z.B. bereits seit „Funny Games“ verfolgen werden sich hingegen erneut an der zumeist herrlich starr verharrenden Kamera erfreuen, die eine Szene selbst dann noch weiter einfängt, wenn jeder andere Film längst die Szenerie gewechselt hat. Er zeigt einfach immer „etwas mehr“ als andere. Dabei kommen so tolle Szenen zustande wie diese mit einemehemaligen Klavierschüler von Georg, der spontan zu Besuch kommt und unruhig im Wohnzimmer hin und herschaut oder eine andere Szene. während des an die Nieren gehendes Endes, in der man Georg gefühlt minutenlang beim Schneiden von Blumen in der Küche zuschaut.
Haneke gelingt mit „Amour“ wohl eines seiner menschlichsten Werke. Ist er sonst recht oft auf das ausloten von zumeist passiver Gewalt fixiert gewesen, wie auch in seinem letzten Film „Das Weiße Band“, ist er nun ganz klar Charakter orientiert, fixiert sich auf seine beiden Hauptfiguren und verzichtet fast völlig auf das Gewaltthema. Das macht „Amour“ nicht nur zugänglicher für Quereinsteiger, sondern ihm gelingt nebenbei ein wirklich mitreißendes Werk das in seiner realen Darstellung unter die Haut geht.
Filmbewertung: 8/10
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