Elysium

Elysium
Originaltitel: Elysium – Erscheinungsjahr: 2013 – Regie: Neill Blomkamp

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Darsteller: Matt Damon, Jodie Foster, William Fichtner, Sharlto Copley, Alice Braga, Michael Shanks, Faran Tahir, Diego Luna, Talisa Soto, Carly Pope, Ona Grauer, Terry Chen u.A.

Filmkritik: Zur Zeit ist Endzeit, oder so, denn die Welt ist ein riesiges, wüstes Ghetto geworden. Matt Damon findet das gar nicht cool, schließlich wird ihm bereits seit seinen Tagen als einsamer Waisenjunge von seiner Lieblingsnonne eingetrichtert, dass er für Großes bestimmt ist. Nach einer missglückten Karriere als Autoknacker arbeitet er nun in einer Fertigungsanlage für die Sicherheitsroboter die überall rumlaufen und scheinbar jeden schikanieren, der nicht mit auf den Boden gerichteten Augen durch die Welt läuft. Weil Matt Damon blöd ist wird er verstrahlt, hat nur noch kurz zu Leben und das ausgerechnet, als er seine Jugendliebe wieder getroffen hat. Damon aber weiß, dass auf Elysium, der Weltraumstation, auf welche sich die reichen 1% gerettet haben und ein schönes Leben pflegen, sehr leicht wieder geheilt werden kann. Als zusätzliche Motivation hat seine Jugendliebe auch eine kleine Tochter die natürlich voll krank ist und ebenfalls ganz schnell geheilt werden muss. Ein klarer Fall, Matt Damon (ja, der Figurenname ist komplett irrelevant – warum? Dazu kommen wir später …) übernimmt für einen ehemaligen Gangster-Kollegen eine letzte Aktion, um nach Elysium zu kommen. Aber wie das so mit letzten Einsätzen ist, geht hier natürlich alles schief und auch wenn Damon nun ein cool aussehendes Exo-Skelett mit Kraftverstärkern hat, so steht ihm noch ein schwerer Kampf bevor … Das gleichzeitig die Premierministerin von Elysium einen Putsch plant und die Daten braucht, welche sich nach kurzer Zeit in Damons Rübe befinden, kommt zu dem ganzen Schlamassel noch dazu…

Eine Geschichte mit satirischen Elementen?

Regisseur Neill Blomkamp hat bereits „District 9“ in einem ähnlichen Stil aufgezogen: eine satirisch überhöhte Situation aus dem Alltag (da war es der Rassismus, hier ist es die Grenze zwischen arm und reich) wird als SciFi-Actiondrama verkauft. Und, um mal die Karten auf den Tisch zu legen, ich mochte „District 9“ deutlich weniger als mein werter Kollege hier auf der Seite. Die Parabel mit auf der Erde gelandeten Außerirdischen, für die sich anscheinend niemand interessiert und selbst für Waffentests herhalten, weil sie so unnütz sind, ist schlicht und ergreifend kompletter Schwachsinn.

Gerade bei Blomkamps Inszenierung, welche den Zuschauer regelrecht am Kragen packt, schüttelt und schreit: „NIMM MICH ERNST! ICH BIN VOLL RELEVANT UND SO!“ ist die Idee, dass sich wortwörtlich kein Mensch für eine Gruppe Außerirdische interessiert oder einsetzt, schlicht komplett unsinnig. Als Parabel funktioniert da gar nichts, da die an bekannte Probleme anknüpfenden, „relevanten“ Elemente eben durch die Ausgangslage aufgezwungen wirken. Dabei funktionieren dort zumindest kleinere Situationen innerhalb der größeren, satirisch angehauchten Schicht Gesellschaftskritik, ganz zu schweigen von der tollen Optik sowie den ausgezeichneten Darstellern. „Elysium“ hat nun interessanterweise die gleichen Stärken, aber im Bezug auf seine aufgegriffene Gesellschaftskritik die genau gegensätzlichen Schwächen.

Die Reichen leben auf einer Raumstation und haben sich von den Armen abgesondert. Ok, interessante Ausgangslage für eine intelligente SciFi-Parabel mit einem ordentlich „Schuss“ Actionkrawall. Nur leider fällt so ziemlich jede einzelne „High Concept“-Idee bei auch nur geringem Nachdenken komplett in sich zusammen. Und anstatt dies zumindest mit interessanten Charakteren aufzufangen, gibt es bei „Elysium“ wenig mehr als komplette Stereotypen zu holen.

Eine Satire mit Elementen einer Geschichte!

Bevor jetzt verschiedene Beispiele aufgezählt werden, ist das große Problem von „Elysiums“ Gesellschaftskritik, dass sämtliche Elemente genau so geschrieben und konstruiert wurden, dass die in ihr Action-Korsett eingespannte Satire funktioniert und nicht mehr. So gibt es bis auf die böse Premierministerin Jodie Foster und William Fichtner, der seine typische überhebliche Bösewichtsrolle gibt, keinerlei Figuren, welche „den Reichen“ ein Gesicht bescheren. Ausgewogene Darstellung, was ist das denn bitte? Böse und verschlagen wie bei einem Samstag Vormittags-Zeichentrickfilm. Dabei gibt es an einer Stelle(!) in zwei Sätzen den Hauch eines Ansatzes von Charakter-Erklärung, wenn Foster meint, dass sie Elysium beschützen will, weil ihre Kinder ja dort leben. Aber das verpufft, als der Subplot auftaucht, dass die Gute einfach nur einen Putsch starten will.

Warum wollen die Armen nach Elysium? Weil es dort regenerative Kammern gibt, welche die innen liegende Person in Sekunden komplett von sämtlichen Krankheiten oder Gebrechen heilt. Warum gibt es diese Kammern nicht auch auf der Erde? Gute Frage, nächste Frage. Der Film liefert dafür keine Antwort, im Gegenteil, er wirft ständig die Frage auf, wie es zu dieser groben Zweiteilung kommen konnte. Zwischendurch wird davon geredet, dass Fichtners Charakter bei dem Putsch mitmacht, damit seine Firma weiterhin Erfolg und Verträge mit Elysium hat und so ihre Produktion samt Gewinnen beibehalten kann… Aber wer soll überhaupt die Produkte kaufen? Die Leute auf Elysium? Anscheinend, denn auf der Erde hat anscheinend niemand der Armen Geld und eben nicht einmal in Krankenhäusern gibt es die Technik wie auf Elysium, obwohl es augenscheinlich kein Problem wäre.
Ganz zu schweigen von dem Punkt, dass das – SPOILER – so-in-etwa-Happy-End umso mehr die Frage des „Warum eigentlich nicht?!?“ aufwirft.

Überhaupt arbeitet der Film deutlich mehr mit Konzepten, als mit Personen, so dass erst recht der Fokus auf den extremst konstruierten SciFi-Konzepten liegt und die Darsteller wenig mehr zu tun haben, als von einer High-Concept-Idee zur nächsten überzuleiten. So etwa der auf so ziemlich allen Presse-Bildern gefeaturte „Exo-Skellet-Anzug“, welcher Damon direkt in den Körper geschraubt wird, damit dieser sich in die Daten der Elysianer hacken kann. Das Teil sieht gut aus und macht den Matt zum Super-Damon, der so selbst mit den nicht verbesserten Fingern mal eben einem Roboter den Kopf abreißen kann. Ok, whatever… War das hier jetzt eigentlich ein „dummer Actionfilm“, oder soll es doch noch eine clevere Gesellschaftskritik sein?

Gleiches fragt man sich etwa auch, wenn drei Raumschiffe von der Erde Elysium ansteuern in der flüchtigen Hoffnung es dort auf die Regenerations-Liegen zu schaffen. Nicht nur, dass Elysium selbst sich absolut nicht verteidigt, nicht nur, dass Elysium nicht einmal ein abgeschlossene Außenhülle hat, sondern die Schiffe wortwörtlich einfach so durch eine Atmosphärenschicht ganz normal landen können, oh nein. Die Premierministerin lässt ihren (und anscheinend überhaupt einzigen) Elysium-Agenten auf der Erde(!) eine Panzerfaust mit SciFi-Raketen abschießen, welche binnen weniger Sekunden(!!) die Raumschiffe erreicht, welche gerade kurz davor sind auf der parkanlagenähnlichen Weltraumstation zu landen. Looney Toones-Science For The Win, oder wie ist das? Und Fosters Premierministerin – die gerne mal französisch spricht, denn das klingt anscheinend irgendwie dekadent, während die armen Schweine auf der Erde oftmals ins spanische wechseln – wird sogar von ihrem Chef noch angemeckert, dass sie schon wieder zu gewalttätig vorgegangen sei und man die Eindringlinge einfach wieder abschieben will, ohne diese zu töten. Aber zwischendurch für zwei Sekunden dürfen sie sich nicht auf einer Liege heilen … warum? Ganz klar: Weil es sonst keinen Film gäbe.

Und das ist leider nur ein Beispiel unter vielen. Ein weiteres großes Problem sind, wie bereits erwähnt, die Charaktere. Matt Damons blassem 08/15-Charakter wird bereits am Anfang gesagt, dass auf ihn Großes wartet – warum? Die teils genauso holzhammer-artig wie die Gesellschaftskritik verarbeiteten Erlöser-Elemente sind nicht nur unnötiger Ballast, welche zu Lasten einer Charakterisierung gehen, sondern tun dem Inhalt gar nicht gut. War es bei „Man Of Steel“ vielleicht noch angebracht, aber furchtbar umgesetzt, so schadet es hier nicht nur der Spannung, sondern steht auch im Gegensatz zum eigentlichen Konzept. So ist nicht nur ist das Ende bereits von Beginn klar, sondern anstatt die Situation „arm gegen reich“ irgendwie mit Leben zu füllen, gibt es halt die x-te Aufwärmung altbekannter Klischees. Aber das weitere Problem ist eben auch, dass man gar keinen adäquaten Querschnitt der Bevölkerung geliefert bekommt. Die Armen sind scheinbar alle ultimativ ziemlich gutherzige Gauner, während die Reichen jenseits von Cartoony McEvilish Jodie Foster und William Fichtner gar nicht erst in Erscheinung treten.

Anstatt so eben die eigene Thematik in die eigentliche Handlung zu übertragen, wird eben jene mit einer typischen Action-Sause rund um böse Kopfgeldjäger und korrupte Politiker angereichert, welche mit ihren bereits hundertfach gesehenen Alibi-Handlung wenig mehr darstellt als einen glorifizierten B-Movie. Apropos: Wer mal das in etwa gleiche Konzept deutlich unprätentiöser als schlicht gut gemachten Actionfilm sehen will, bei dem zumindest die zwei, drei cleveren Momente nicht in einem Meer von unglaubwürdiger Konstruiertheit absaufen, dem sei mal der „Lunar Cop“ aus der Produktionsschmiede der „Expendables“ empfohlen. Dort leben die Reichen auf dem Mond, die Armen auf der Erde und ein bislang nur bei den Reichen aufgewachsener Polizist wird erstmalig auf die Erde geschickt für eine Mission und bemerkt, dass vieles was er erzählt bekommen hat schlichte Lügen und Vertuschungen waren. Obendrauf gibt es Killer-Androiden, böse Endzeitbiker die von Billy Drago angeführt werden und halt überraschend viele Parallelen zum großen, protzigen Bruder „Elysium“. Überhaupt ist es schlimm, dass bezogen auf die Kombination aus krachiger Action und pseudo-cleverer Handlung zum Beispiel ein „Die Insel“ von Michael Bay am Ende deutlich besser da steht. Sowohl was die Gesellschaftskritik, als auch die Figurenzeichnung angeht. Aua. Schlussendlich hakt das von Blomkamp selbstgeschriebene Drehbuch an allen Ecken und Enden. Eine Schande, dass nicht ein fähiger(er) Autor dazu geholt wurde, um all die unausgegorenen Elemente besser zu integrieren, oder – vor allen Dingen – besser zu durchdenken. Denn an generellem Potential mangelt es hier nicht, nur die inhaltliche Ausführung ist eben ein Graus.

Am Ende wäre es wohl besser gewesen, wenn sich Blomkamp bei seinem „Elysium“ einzig und allein auf die Action verlassen hätte, denn – Gott sei Dank – diese sorgt mit all ihren detailverliebt-derben Momenten dafür, dass der Streifen am Ende doch kein rein zeitverschwendendes Ärgernis darstellt.

Re-Atomisierung gestartet!

Ja, ernsthaft. „Re-Atomisierung gestartet“ sagt eine Sequenz, als ein Charakter von seiner Krankheit geheilt wird. Und das im tränenreich, erzwungen-dramatischen Finale des Geschehens. Wow. Was für ein Lacher! …oh, das war gar nicht lustig gemeint? Heh. Das macht es im Endeffekt eigentlich nur noch witziger.

Und apropos witzig: Sharlto Copley. Der Hauptdarsteller aus „District 9“ spielt hier den wahnsinnigen Killer und Vergewaltiger, der als „Schläfer-Agent“ der Elysianer herhält. Ganz der überzogenen Ausgangslage des Charakters geschuldet ist es eine wahre Freude diesen komplett Irren über die Leinwand fegen zu sehen. Intensiv, mit bizarrer Betonung und erst recht bedrohlichen Gefühlsschwankungen ausgestattet spielt Copley ihn nicht nur angenehm unberechenbar, sondern vor allem unterhaltsam. Im Gegensatz zu Jodie Fosters ultra-klischeehafter und langweiliger Bösewichtsrolle darf der Gute hier richtig aufdrehen und besonders in der zweiten Hälfte des Geschehens das gesamte Geschehen an sich reißen. Dabei werden mehrere Subplots auch von ihm einfach weggekillt, warum sollte man auch weiter auf die politischen Dimensionen eingehen, Action ist eben angesagt!

Ähnlich wie bei „District 9“ sind die Krawall-Sequenzen hier roh und wackelig, aber immer noch gut überblickbar. Dazu kommt noch eine Härte, die es in letzter Zeit so sehr selten im Actiongenre zu sehen gab. Zwar gibt es wohl für zwei Hand voll saftiger Einstellungen, aber wenn, dann ist man über die realistisch ausgeführten Splattereffekte durchaus überrascht. Kein Wunder, dass die Einstellungen dabei eigentlich immer den Eindruck erwecken, dass für das R-Rating in den USA schon die halbe Einstellung zensiert werden musste, denn oftmals sieht man entweder den Anfang oder das Ende einer Einstellung bei der das gesamte Kinopublikum so etwas wie „Heilige Scheiße!“ geraunt hat.
Ironischerweise wäre eine Jugendfreigabe aber wohl durchaus Möglich gewesen, denn große Teile und generell die Weltdarstellung kommt zu sehr großen Teilen ohne intensive Momente aus, so dass am Ende die Splattereffekte zwar „laune Machen“, aber fast schon eher wie Fremdkörper im eigentlichen Geschehen wirken. Sonderlich will ich mich darüber nun aber nicht beschweren, da sie eben durchaus wach gerüttelt haben, während man einmal mehr über die unlogische, bizarr konstruierte Welt von „Elysium“ siniert.

Im Endeffekt ist die Frage, was man haben will. Wenn man sein komplettes Gehirn (samt Back-Up) vor dem Kino-Besuch abgeben kann (und will) und einfach nur Lust hat auf eine wunderbar detaillierte SciFi-Optik samt krachiger Actionsequenzen, dann kann man durchaus zwei Stunden seines Lebens hier einsetzen. Wer allerdings einen cleveren Science Fiction-Film über eine dystopische Zukunft erwartet, die mit beißender Gesellschaftskritik und intelligenter Aufbereitung daher kommt, sollte schnellstmöglich in die entgegen gesetzte Richtung rennen. Oder sich vielleicht einfach die Blu-Ray von „Oblivion“ zulegen. Zwar hatte der Streifen auch durchaus seine Probleme, ist aber in seiner Herangehensweise und Ausführung deutlich weniger frustfördernd als der wie mit der Brechstange auf Relevanz und Holzhammer-Kritik hin konstruierte „Elysium“. Neill Blomkamp hat ein Händchen für tolle Action, eine großartige Optik und ein fantastisches Set-Design, aber bitte, bitte, lasst den Mann nicht mehr seine eigenen Drehbücher schreiben, oder stellt ihm zumindest einen Co-Autoren an die Seite.

So, kommen wir jetzt dank einem verrückten Killer, einer fantastischen Optik und krachender, nicht jugendfreier Action einfach mal – nachdem ich zwischen 4 und 6 von 10 schwankte, je nachdem, wie sehr man die inhaltlichen Probleme ausblenden kann – auf die

Filmbewertung: 5/10