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In der Nacht vom 22. auf den 23. Februar wurden in Los Angeles zum 87. Mal die Oscars verliehen, der wichtigste Filmpreis der Branche. Wie immer im „Dolby Theater“ (vormals „Kodak Theater“) treffen sich Stars und Sternchen zur Verleihung des Preises.
Die Moderation sollte, nach der erneut vortrefflichen Darbietung von Ellen DeGeneres im letzten Jahr, dieses Jahr Neil Patrick Harris übernehmen, den meisten besser bekannt als Barney Stinson in „How I met your Mother“ oder als Arzt gewordenes Kind „Doogie Howser, M.D.“.
Da Harris zuvor bereits Emmy- und Tony-Award vergeben hat, durfte man annehmen das seine Showman-Qualitäten über jeden Zweifel erhaben sind. Doch so ganz stimmte das nicht.
Wie jedes Jahr begann die Show wieder um 2:30 Uhr Deutscher Zeit. Nachdem zuvor um 1 Uhr erneut der kompetente Steven Gätjen für 30 Minuten Fragen stellen durfte, u.a. an Michael Keaton und Robert Duvall, stiegen die „Kollegen von der ABC“ um 1:30 Uhr ein. Doch hier gab es, überraschender weise, nicht wie jedes Jahr ein Schaulaufen wer denn nun wen trägt, sondern auch hier wurden teilweise ganz interessante Interviews geführt. Viel belangloses, aber immerhin keine Modeshow mehr.
Als die Show dann begann, war wohl keiner überrascht, dass Harris direkt mit einer Musical-Gesangsnummer startet. Wobei, nicht ganz, ein kleiner aber feiner Witz kam davor noch: “We celebrate the best and the whitest … sorry brightest,”
Mitz Tanz und Gesang über das Wunder des Films und die Glückseligkeit der Filmbranche ging es dann weiter und so bekam er den Saal auf seine Seite. Am TV hat es vermutlich nicht so sehr gezündet. Doch spätestens als plötzlich Jack Black mit einsteigt und all die Probleme anspricht die Hollywood plagen („All you get are Superheroes, Spiderman, Batman, Superman, Sequelman, Prequelman…“) wird der Nummer die nötige Würze verliehen, etwas länger im Kopf hängen zu bleiben. Und die bezaubernde Anna Kendrick schaut ebenfalls noch vorbei und trällert mit. Gewiss nicht die beste Opening-Nummer aller Zeiten, auch da mir das durch den Kakao ziehen der Gäste traditionell besser gefällt, aber als Opener schon sehr tauglich.
Der komplette Opener
Kurz nach dem Ende der Nummer machte der übertragende Sender in Deutschland dann die Biege. Bildausfall. Schnell wird klar, dass es wirklich an Pro 7 liegt und nicht an der Oscar Verleihung an sich. 7 Minuten, darin enthalten u.a. die komplette Verleihung des „Supporting Actor“ Awards an J.K. Simmons verpassen deutsche Zuschauer. Pro 7 konnte das Material auch nicht mehr nachreichen, da der Stream komplett weg war und auch dort kein Bild mehr ankam für diesen Zeitraum. Bitter und an dem Abend ganz klar der größte Schock. Gott sei Dank gab es danach dann keine weiteren Ausfälle.
Teilweise noch mit enthalten war ein Punkt der Sendung, an dem Harris seine „Oscar Predictions“ in einem Glaskasten eingeschlossen zeigt. Am Ende der Sendung möchte er diese Aufdecken und zeigen was davon alles zutraf. Eine seltsame Sache, die in der Show mehrmals nochmal aufgegriffen wird um am Ende „spektakulär“ enthüllt zu werden.
Weiter ging die Show mit einer ganzen Reihe an Nebenkategorien. Make Up, Costume Design und mehr. Dazwischen gab es, wenn überhaupt, mal einen knappen One-Liner oder einen schalen Gag von Harris. Er hatte wahrlich nicht die besten Späße geschrieben bekommen. Musste oftmals als einziger über den Witz lachen oder grinsen. Eine Stelle bei der er mit einigen Seat-Fillern redet (die Leute die sich auf die Plätze setzen wenn die echten Stars gerade nicht da sind) und das ganze mit einem knappen Gag zu Steve Carell abschließt gab es so ähnlich schon oft, war aber selten so unlustig vorgetragen wie gestern.
Einige Dankesreden waren hingegen erneut stark. Da wurde der Oscar an den durch Selbstmord verstorbenen Sohn gewidmet, es wurde dem Haustier gedankt (einem Hund) und der Gewinner für das beste adaptierte Drehbuch ging sogar soweit, dass er erwähnte das er sich selbst mit 16 Jahren umbringen wollte da er anders war als andere und damit nicht klar kam, aber heute auf dieser Bühne stehen würde. Die besten Reden schreibt halt doch das Leben könnte man sagen.
Im Live Bild eigentlich kaum bemerkt, kam schnell über die Social Media DIenste heraus, dass Harris nach der Widmung des Oscars an den durch Selbstmord verstorbenen Sohn, einen Witz über das Kleid das Dame gemacht hat. Nicht so passend.
Gute One Liner waren wie gesagt rar gesäht. Da gab es einen, nachdem der Dokumentarfilm „Citizenfour“ (Eine Doku über Edward Snowden) gewonnen hat, wo er meinte „Edward Snowden cannot be here tonight for some (t)reason“. Das war ein Gag der saß. Kurz, knapp, schmissig. Leider wie gesagt einer der ganz wenigen.
Echtes Highlight nach der Eröffnungsnummer war eigentlich nur noch sein Auftritt in Unterhose. Ganz wie Michael Keaton in „Birdman“, klemmt sich Harris in einer Werbepause seinen Bademantel von außen in der Tür seiner Umkleidekabine ein. Aber „The Show must go on“ und so geht er ohne Bademantel, nur in Unterhose bekleidet Backstage umher, wird von diversen Leuten fotografiert und um Autogramme angehalten (ebenfalls alles wie in „Birdman“) und läuft schlussendlich noch an einem Schlagzeug spielenden Miles Teller („Whiplash“) vorbei, dem er ganz J.K. Simmons like ein „NOT MY TEMPO“ entgegen wirft. Das Schlagzeug ist zudem die perfekte Verbindung zwischen den beiden Filmen gewesen. Spielt Teller in „Whiplash“ das Schlagzeug, ist das Schlagzeug als Instrument auch auf dem Soundtrack zu „Birdman“ sehr prominent vertreten. Ein rundum gelungener Einspieler. Und Neil Patrick Harris in Unterhose auf der Bühne hätte vorher definitiv niemand erwartet.
Traditionall wurde auch wieder jeder nominierte „Best Original Song“ vorgestellt. Abgesehen von der komplett schrillen Darbietung des „Lego Movie“ Gassenhauers „Everything is Awesome“, gab es da aber auch keine Überraschungen. Und da das noch nicht genug Musik war, durfte Lady Gaga noch ein Tribut an „The Sound of Music“ trällern, was im Anschluss durch einen Gastauftritt von Julie Andrews abgerundet wurde. Insgesamt sicher ein ganz brauchbarer Part der Sendung, dem Tempo aber gewiss nicht zuträglich.
Everything is Awesome Musikauftritt
Trauriges Highlight für Film- und Schauspiel-Fans auf der ganzen Welt war auch wieder die „In Memoriam“ Section, die alle Künstler zeigt die nicht mehr unter uns weilen. Und welch illustre Namen dort wieder über den Bildschirm liefen: James Garner, Richard Attenborough, Robin Williams, Eli Wallach und leider viele weitere mehr.
Und wo wir gerade über Highlights schreiben. Wirklich klasse war der Seitenhieb auf John Travolta im letzten Jahr. Damals nannte Travolta die nominierte Sängerin „Idina Menzel“ plötzlich „Adele Dazeem“. Wie auch immer er darauf kam. Harris griff das auf und meinte das Benedict Cumberbatch der Sound wäre der erklingt wenn John Travolta versuchen würde Ben Affleck zu sagen. Und dann kam Travolta tatsächlich zusammen mit Idina Menzel auf die Bühne. Beziehungsweise, er kam erst kurz nach ihr, denn Idina lies sich den Spaß nicht nehmen und sagte: „Please welcome to the stage, my very dear friend, Glom Gazingo.“. Eine richtig tolle Nummer die Travolta komplett mitspielt. Das gibt es nun wirklich nicht alle Tage.
Je weiter sich der Abend dem Ende näherte, desto mehr kristallisierte sich langsam aber sicher eine Tendenz heraus. Echte Überraschungen blieben leider wieder aus. „Big Hero 6“ als bester Animationsfilm hatte man nicht unbedingt auf der Rechnung (im negativen Sinne), auch die Preise für „Film Editing“ und „Sound Mixing“ für „Whiplash“ waren nicht direkt klar, wenn auch ziemlich stark. Patricia Arquette holt den einzigen Oscar für „Boyhood“ ab und vermutlich leider auch nur, weil die Kategorie erneut nicht viel besseres Material zu bieten hatte. Verdient hat sie es trotzdem.
„Grand Budapest Hotel“ holt sich die Nebenkategorien, u.a. „Costume Design“, „Production Design“ und „Original Score“. Das der Preis für das „Best Adapted Screenplay“ aber an „The Imitation Game“ geht, das war wirklich überraschend.
„Best Actor“ und „Best Actress“ standen leider schon weit, weit im Voraus quasi fest. Alles andere als Eddie Redmayne für die Performance des „Stephen Hawking“ und Julianne Moore für eine an Alzheimer erkrankte mitten im Leben stehende Frau wären wirklich Faustdicke Überraschungen gewordem. doch die blieben dann traditionell wieder aus. Dadurch das „Cinematography“ völlig verdient an „Birdman“ (ein Film der aussieht wie an einem Stück gedreht) ging und mit dem „Original Screenplay“ noch nachgelegt wurde, war eigentlich klar, dass „Boyhood“ an diesem Abend nicht mehr viel holen wird. Und so wurde die zuletzte eingeführte Tradition der Split-Oscars wieder gebrochen und „Best Director“ sowie „Best Picture“ gingen ebenfalls beide noch an „Birdman“. So reiht sich „Birdman“ in die Riege der Filme ein, die in den Darsteller-Kategorien komplett leer ausgehen, aber mit Kamera, Drehbuch und Regie Punkten können.
Insgesamt eine ausgeglichene Preisverteilung. 4 Oscars, inkl. „Best Picture“, ist wohl auch wirklich das Minimum für einen Film der als „Bester Film“ ausgezeichnet wird an diesem Abend.
Hervorheben könnte man am Ende des Beitrags noch das wie jedes Jahr wirklich ausgezeichnete Orchester der Show. Viele tolle, bekannte Filmsoundtracks wurden immer passend zu den Laudatoren eingespielt. Da wurde auch vor „I can’t stop this feeling“ (aus „Guardians of the Galaxy“) nicht halt gemacht als Chris Pratt auf die Bühne kam. Großes Kompliment.
Ein weiteres Kompliment kann man dieses Jahr an die Dankesreden richten. Klar, es gab auch wieder die Namensaufzähler, aber es waren auch viele tolle Reden dabei die inhaltlich überzeugt habt. Neben den weiter oben erwähnten Sachen rief Patricia Arquette zudem zur weiteren Gleichberechtigung der Frau auf und entfachte damit einen Applaus im Saal. Die Gewinnes des besten Musikstücks, Rapper Common und John Legend haben passenderweise auf Rassenunterdrückung hingewiesen. Aber auch auf Alzheimer, ALS und Einwanderung wurde eingegangen. Meist nicht plump sondern wohl überlegt und wenig plakativ.
Das Lob kann man an Neil Patrick Harris leider nicht richten. Neben den größtenteils flachen bis schlechten Witzen wirkte auch seine Darbietung teilweise hölzern, zaghaft und verängstlicht, vor allem auch weil seine Sprüche nicht immer auf viel Gegenliebe im Saal stießen. Am Ende löste er dann noch seine Oscar Predictions auf.
Die Auflösung von Harris‘ Oscar Predictions
Überraschenderweise war wirklich alles dabei, was auch in der Show vorkam. Ein sichtlich gerührter Terrence Howard, ein Gewinner der seinem Hund dankt, John Travolta der seiner Co-Laudatorin im Gesicht rumfingert und einiges mehr.Ob die „Predictions“ nun doch irgendwie ausgetauscht wurden, obwohl eine sichtlich verwirrte Octavia Spencer die Kiste doch immer im Auge behalten sollte, wurde nicht mehr so ganz klar. Oder Harris hatte jeden eingeweiht und die Show bestand darin kleine Fehler einzubauen die am Ende alle einstudiert waren. Wir werden es wohl nie erfahren.
Das war es für 2015. Bis zum nächsten mal.
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