Patriots Day – Boston

Boston
Originaltitel: Patriots Day – Erscheinungsjahr: 2016 – Regie: Peter Berg

Erscheinungstermin: Seit 23.02.2017 im Kino

Darsteller: Mark Wahlberg, John Goodman, Kevin Bacon, J.K. Simmons, Michelle Monaghan, Melissa Benoist, Rachel Brosnahan, Michael Beach, Alex Wolff, Lana Condor, Khandi Alexander, Christopher O’Shea

Filmkritik: Boston, 15. April 2013 – Wie jedes Jahr zieht es tausende Läufer und Zuschauer aus aller Welt an die Strecke des beliebten Bostoner Marathons. Doch die Feierlichkeiten verstummen schlagartig, als zwei Sprengsätze an der Zielgeraden detonieren. Noch ist unklar, ob den Explosionen weitere folgen werden. Aber Police Sergeant Tommy Saunders (Mark Wahlberg) versucht einen klaren Kopf zu bewahren und die ersten Rettungseinsätze zu koordinieren – obwohl seine Frau Carol (Michelle Monaghan) beinahe selbst den Detonationen zum Opfer gefallen wäre. Für die Ermittler beginnt ein packender Wettlauf gegen die Zeit und eine der nervenaufreibendsten Großfahndungen in der Geschichte Amerikas nimmt seinen Lauf…

Da ich kürzlich durch den lieben Kollegen von Actionfreunde.de an Freikarten für den Film „Boston“ kam, konnte ich ihn mir dann doch noch im Kino anschauen, obwohl ich die Pressevorführungen damals nicht besucht habe.

Aus zwei mach eins

„Boston“ hat sich aus der Migration zweier Drehbücher ergeben. Das zuvor „Boston Strong“ betitelte Werk, widmete sich ursprünglich der Action-Thriller Seite des Themas. Die bereits damals „Patriots Day“ (der Originaltitel von „Boston“) betitelte Fassung hingegen fokussiert sich mehr auf die Tragik der Geschichte.

Das aus beiden Versionen nun ein zusammenhängender Film entstand, tat der Thematik sehr gut. Nicht zuletzt auch weil mit „Stronger“ noch ein weiterer Film zum Attentat auf den Boston Marathon in der Pipeline wartet. In erster Linie aber, weil „Boston“, anders als viele andere Filme die reale Ereignisse verfilmen, auch den Unterhaltungswert nicht vergisst.

In den ersten 20 Minuten führt der Film einen Großteil der Figuren ein. Hier bekommen die Hauptdarsteller Zeit ihre Figuren mit Leben zu füllen. Aber auch einige Charaktere werden in den Fokus gerückt, bei denen man sich zunächst fragt, wieso ein offensichtlicher Nebencharakter so viel Zeit bekommt. Bis einem dann klar wird, dass diese Personen irgendetwas mit dem Anschlag zu tun haben müssen, als Opfer, Geisel oder ähnliches.

Diese Vorgehensweise ist zum einen zwar gut, da jeder Charakter so halbwegs emotional an den Zuschauer gebunden wird. Mit der Zeit wirkt es aber auch etwas schablonenhaft. Nichts desto trotz ist der Ansatz eine gute Möglichkeit für einen solchen Film, der naturgemäß viele Protagonisten hat wenn er den Tathergang und dessen Aufklärung akkurat aufzeigen will.

Spannung garantiert

Als der Anschlag schließlich passiert, überschlagen sich naturgemäß die Ereignisse. Ab diesem Zeitpunkt fängt „Boston“ an seine großen Stärken auszuspielen. Bekannte TV-Aufnahmen vermengen sich mit Filmaufnahmen zu einem Mix, der einem diverse interessante, überraschende aber auch spannende Einblicke ermöglicht. Spätestens aber mit dem Eintreffen des FBI rund um Special Agent Richard DesLauriers wird der Zuschauer an den Sitz gefesselt. Die Präzision und Verbissenheit mit der er vorgeht und wie Bacon das spielt ist einfach faszinierend. Bei den Mitteln und Wegen die präsentiert werden, wie die Videoanalyse, die Auswertung von Handydaten oder die Ermittlung aller Verkäufe von weißen Kappen im Stadtgebiet, kann man nur ein ums andere Mal erstaunt drein blicken.

Diese gekonnte Inszenierung sorgt dafür, dass „Boston“ trotz bekanntem Ablauf des Ereignisses ein durchgehend spannender Film bleibt. Es schadet zwar nicht, wenn man sich nicht mehr an jedes Detail erinnern kann, aber selbst wenn, ist der Einblick hier ein deutlich intensiverer und persönlicherer als vor 4 Jahren durch die Medienlandschaft.

Kompromisse?

Allerdings muss man dafür auch mit einigen Darstellungsweisen leben die einem die Macher vorschreiben. Dazu zählt unter anderem die Charakterisierung der Attentäter, welche sich nur wenig vom gängigen Klischee abhebt. Des weiteren wird der Frau (überraschend dargestellt von Melissa Benoist) des verstorbenen Attentäters ein Vorgehen angedichtet, welches so nicht der Wahrheit entsprechen muss. Denn bislang wurde die Dame niemals dafür angeklagt. Es passt alles zwar komplett in den Film rein, hinterlässt im Nachhinein aber einen etwas faden Beigeschmack. Vielleicht hätte man hier mit etwas mehr Gespür vorgehen müssen.

Durch die Fokussierung auf die Aufklärung des Attentats lässt das Drehbuch seine Figuren in der zweiten Hälfte teils außer acht. Dies trifft vor allem auf Mark Wahlbergs Tommy Saunders zu. Zu Beginn erst als frustrierter Polizist eingeführt mit Andeutung, dass er an der Flasche hängt oder kurz davor steht. Jedoch finden sich später nur noch wenige Szenen in der die Entwicklung des Charakters entsprechend abgeschlossen wird. Das ist insofern schade, da man sich so am Ende denkt, wieso man die Figur überhaupt auf derartige Weise eingeführt hat. Der typische „Filmheld mit Makel“ ist er schon durch ein lädiertes Knie gewesen, dafür hätte es nicht mehr gebraucht.

Andererseits gelingt dem Film so in der zweiten Hälfte das Tempo angenehm hoch zu halten und sich auf die wesentlichen Fakten zu konzentrieren. Evtl. wurde hier also einfach der Kompromiss eingegangen, die Figuren etwas in den Hintergrund zu Rücken zugunsten einer straffen Erzählung. Gewiss keine schlechte Entscheidung wenn man das komplette Werk betrachtet.

Fazit

Doch trotz der paar Dellen im Drehbuch stellt „Boston“ eine wirklich gute Verfilmung des Attentats dar. Peter Berg schafft es hier einen Film zu erschaffen, der gekonnt zwischen den Welten wandelt. Zum einen gelang ein unterhaltsamer und spannender Film. Auf der anderen Seite aber wird auch die Menschlichkeit und die Tragik dieses Tages sowie die Auswirkungen der Tat auf die Bostoner Bevölkerung niemals aus den Augen verloren.

Filmbewertung: 8/10