Captain Marvel

CAPTAIN MARVEL
Originaltitel: Captain Marvel – Erscheinungsjahr: 2019 – Regie: Anna Boden & Ryan Fleck

Erscheinungstermin: Ab dem 8. März 2019

Darsteller: Brie Larson, Gemma Chan, Samuel L. Jackson, Mckenna Grace, Lee Pace, Ben Mendelsohn, Jude Law, Annette Bening, Djimon Hounsou, Clark Gregg u. A.

Filmkritik: Eine kurze Sache vorab: Brie Larson hat im Vorfeld von CAPTAIN MARVEL mit einigen Kommentaren für Kontroversen gesorgt. Manche regten sich über ihre salopp formulierten Ansätze auf, die Werbung von CAPTAIN MARVEL hatte einen pro-feministischen Touch, was wiederum einige Menschen merkwürdig fanden. Ein Klick gab den anderen, Rottentomatoes hatte da auch noch so eine Situation und am Ende ist es eigentlich alles wurscht. Das nur mal so kurz als Vorwort.

Ein 90er Jahre Superheldenfilm

CAPTAIN MARVEL spielt 1995 und da könnte man gleich ein ironisches Fazit zücken: Denn der Superheldenfilm spielt nicht nur während der 90er Jahre, sondern fühlt sich auch an wie ein 90er-Jahre-Superheldenfilm. Denn wie Captain Marvel aka Carol Danvers lernt ihre Kraft richtig einzusetzen und immer mal wieder ein paar Typen auf die Nase haut, wirkt vor allem sattsam bekannt.
Samuel L. Jackson darf dabei sogar den „Funny-Black-Sidekick“ mimen und sieht dank digitaler Verjüngungskultur richtig gut aus. Die paar Sekunden, in denen man Clark Gregg als „Coulson“ allerdings mit seinem gruseligen Computer-Wachsgesicht sieht, zeigen, dass man die Technik immer noch ihre Probleme hat. Brie Larson selbst überzeugt zwar nicht in den Momenten, in denen sie richtig taff wirken soll, spielt ihre Figur aber durchweg charmant.

Etwas holprig, aber mit einem Lächeln auf den Lippen

Die Darsteller sind generell nicht das Problem, Jude Law und vor allem Ben Mendelsohn sind die Highlights des gesamten Films. CAPTAIN MARVEL krankt daran, dass die gesamte Produktion wirkt, als sei sie im Komitee entwickelt worden. Im Hinblick auf die Busladung an Drehbuchautoren, die in den Stabangaben genannt werden, kommt das Ganze wohl der Wahrheit sogar ziemlich nahe.
Oft geht es von einer Szene zur nächsten, wobei der Ablauf zwischen den Momenten immer eher vage bleibt. Wie kommen die Figuren jetzt von A nach B? Warum wissen alle Leute wo Held X ist? Und so weiter und so fort.

Die Action fährt dabei fast die gesamte Laufzeit über mit angezogener Handbremse und liefert eher sehr gute Serienkost, als auch nur ansatzweise epische Momente. Wenn es am Ende dann etwas kosmisch und aufgepowert wird, ist nach einem Blinzeln auch schon alles wieder vorbei. Ganz zu schweigen davon, dass Captain Marvel nur in den allerseltensten Momenten – wenn überhaupt – so wirkt, als sei sie irgendwie in Gefahr.

Die Optik ist ansonsten auf dem gleichen hohen Niveau wie andere Marvel-Streifen. Einige Sequenzen werden dabei sogar angenehm „abgespaced“ und gehen schon etwas in die DOCTOR STRANGE-Richtung. Manch ein Computer-Effekt, besonders bei der ganz drolligen Katze, ist ziemlich suboptimal animiert, doch das kann man schnell verzeihen. Was leider fehlt, ist auch ein visuell starker 90er Jahre Flair. Die gesamte 90s-Nostalgia ist ohnehin reduziert auf zwei, drei Augenblicke und ansonsten verbringt man die Zeit in der Wüste, auf einer Militärbasis oder auf anderen Planeten.

Die Sache mit dem Feminismus …

Die fehlende Spannungskurve hat dann auch leider mit dem eigentlich fehlenden Charakter von Captain Marvel zu tun. Carol Danvers ist etwas ungestüm und … tja, das war es dann aber auch. Sie ist taff, steht immer wieder auf und … äh … mehr aber auch nicht. Sie hat wohl so eine Art Sinn für Humor, doch da alleine Samuel L. Jackson als konsequenter Comedic-Relief-Character mit durchs Geschehen läuft, hat man auch genug Schmunzler.
Da kommen wir dann zum schlimmsten Teil des Films: dem Feminismus! … nein, nur ein Scherz, denn – wenn man ganz genau sein will – gibt es vielleicht drei, vier Momente, die man in diese Richtung überinterpretieren kann, aber das war es dann auch schon. Wenn ein Typ einen blöden Spruch bringt und Carol Danvers, die ein Fortbewegungsmittel braucht, ihm daraufhin das Motorrad klaut, dann ist das ein klassisches Actionfilm-Klischee, egal, bei welchem Geschlecht. Das Gleiche gilt für eine Hand voll anderer Momente, in denen sich Carol Danvers beweisen muss.

Apropos „Beweisen müssen“: Der „Bösewicht“ in CAPTAIN MARVEL ist nicht zwingend schlecht, sondern leider kaum vorhanden. Inhaltlich umgeht man mit einigen Tricks typische Klischee-Momente. Aus dem gleichen Grund gibt es aber auch keinen wirklich bösen Antagonisten, gegen den man vorgehen muss. Wenn am Ende dann noch ein Schurke aus einem anderen Marvel-Streifen kurz reinschaut, um etwas Sequel-Bait zu liefern (nein, es ist nicht Thanos), dann sucht man als Zuschauer genauso ziellos nach einem Gegenspieler, wie das Skript.

Der Feind des Marvel-Universums

Das Schlimmste bei CAPTAIN MARVEL ist – neben der inhaltlichen Mittelmäßigkeit – der groß eingesetzte Humor des Streifens. Ständig gibt es irgendwie drolligen Bemerkungen und konsequent wird fast jeder Spannungsmoment durch einen augenzwinkernden Moment seiner Gefahr beraubt. Wenn dann sogar einige große Prequel-Momente, die wichtige Ereignisse im Leben des Marvel-Universums zeigen, einfach nur als Gag serviert werden, dann ist es einfach zu viel.
Generell sind die Scherze bei CAPTAIN MARVEL gut, doch ihre Häufigkeit ist genauso ein Problem wie die Tatsache, dass es manchmal einfach zu weit geht. Stichwort „Fury am Ende“.
Nein, so weit über die Zielgerade wie THOR 3 schießt das Ganze hier Gott sein Dank nicht hinaus, doch es ist eben schon sehr merklich, in welche Richtung sich das Marvel-Cinematic-Universe verschiebt: Abseits von vielleicht Event-Streifen wie den AVENGERS, werden die einzelnen Abenteuer kontinuierlich simpler und einfach zu konsumierende Popcorn-Streifen.
CAPTAIN MARVEL folgt da der gleichen Regel wie THOR 3, nur eben etwas abgeschwächter: Alle, denen die Vorlage/die Comics/die Mythologie egal ist und haben ihren Spaß, alle anderen hätte gerne zumindest etwas epische Spannung in ihrem Fantasy-Eskapismus.

Fazit: CAPTAIN MARVEL ist im Endeffekt genau das, was ein Titel sagt, ein „Marvel“-Film durch und durch. Das heißt, dass man ihn richtig süffig wegschauen und dabei absolut seinen Spaß haben kann. Zugegeben, die Carol Danvers-Variante von Captain Marvel macht jetzt auch nicht sonderlich viel her, so dass dieser gut gelaunte 08/15-Streifen wie die Faust aufs Auge zum Charakter passt.
Man darf gespannt sein, wohin das Marvel-Cinematic-Universe geht, doch leider ist das gesamte Drumherum von CAPTAIN MARVEL schließlich deutlich spannender und interessanter gewesen als der eigentliche Film. Natürlich wandert CAPTAIN MARVEL ins Sammler-Regal zu den anderen Teilen des Universums und bei einem Marathon wird der Titel sicher wieder rausgeholt. Aber für sich alleine stehend, ist Brie Larsons Superheldin eben einfach nur echt „ok“. Nicht schlecht, nicht super, sondern einfach was für Zwischendurch.

Filmbewertung: 6/10 (da ich zwischen 5/10 und 6/10 schwankte und da man im Zweifel eben für den Angeklagten abstimmt)