Rambo: Last Blood

Ramob: Last Blood
Originaltitel: Rambo: Last Blood – Erscheinungsjahr: 2019 – Regie: Adrian Grunberg

Erscheinungstermin: Ab dem 19. September im Kino

Darsteller: Sylvester Stallone, Paz Vega, Sergio Peris-Mencheta, Yvette Monreal, Adriana Barraza, Óscar Jaenada, Joaquín Cosio, Louis Mandylor, u. A.

Filmkritik: John Rambo. Wenn man(n) von diesen beiden Worten nicht mehr ins Kino gelockt wird, von was dann? Nach dem ebenso betitelten JOHN RAMBO sind nun gut zehn Jahre vergangen und die Frage ist: Kann Sylvester Stallone immer noch seine gequälte Figur spielen? Definitiv! Ist der Film gut? Eeehhhh …

Aber der Reihe nach: RAMBO: LAST BLOOD ist quasi 96 HOURS – TAKEN, nur dass Rambos Ziehtochter von einem mexikanischen Kartell mit Menschenhändler-Betrieb entführt wird. Wenn man generell etwas gegen diese Prämisse hat – warum auch immer – dann wird man vielleicht davon überzeugt, dass Stallone seinem ikonischen Protagonisten immer noch neue Seiten abgewinnen kann. Doch um zu diesen zu kommen, muss man erst einmal das erste Drittel durchstehen …

Exposition des Grauens

Bei aller Liebe: Die Dialoge und generellen Expositionselemente sind wahrscheinlich die furchtbarsten Textstellen, die es in diesem Jahr im Kino zu hören gab. (Und vielleicht sogar im letzten, wobei, nein, da lief DAS ZEITRÄTSEL. Kommando zurück!) Wenn Rambo zu Beginn bei einer Suchaktion hilft und der leitende Polizist bereits eine kurze Biographie von ihm raushaut, dann kann man schon besorgt werden.

Richtig schlimm wird es danach: Stallones Figur kommt in die Küche seines eigenen Hauses. Dort findet er seine Haushälter und bekommt folgenden Monolog: „Hallo Rambo, gut, dass du da bist, nach einer dieser Rettungsaktionen, bei denen du dich immer beteiligst. Du kannst nicht alle retten, aber du hast uns gerettet, als du uns vor zehn Jahren hier erlaubt hast zu wohnen, als dann meine Tochter starb und du meine Enkelin ins Herz geschlossen hast und nun behandelst wie deine eigene Tochter und sie über alles liebst. … Kaffee?“

In etwa in diesem Stil gibt es gleich drei Passagen im ersten Drittel. Diese sind so Zehennägel aufrollend furchtbar, dass man alle Darsteller, die gesamte Crew und sogar den Typ vom Catering mit dem Skript Ohrfeigen möchte. RAMBO: LAST BLOOD hat unglaubliche Probleme beim Erzählen seiner Backstory. Das Einfachste wäre ein Prolog gewesen, der direkt ans Ende von JOHN RAMBO angeschlossen hätte. Man hätte gesehen, wie Rambo nach Hause kommt, die kurzen Momente erlebt, die angesprochen werden. Ebenfalls hätte man so Rambos Rescue-Bait bereits als Kind erlebt. Das wäre schön gewesen, um sie noch mehr ins Herz zu schließen, wobei dies glücklicherweise auch so funktioniert.

 

Die Rückkehr des 70er-Jahre-Rache-Kinos!

RAMBO: LAST BLOOD hat auch keinerlei Lust direkte Parallelen zu ziehen zwischen den Tunneln, die Rambo unter der Ranch seines Vaters gebaut hat, und dem Vietcong, gegen den er einst antrat. Dies wird dem Zuschauer überlassen und – Hand aufs Herz – ich bin mir gar nicht mal sicher, ob es eine gute Idee gewesen wäre, eine direkte Kriegs-Analogie zu forcieren. Denn Rambo ist zu Hause angekommen und versucht sein Leben zu Leben. Er hat sich befreit von dem Übel der letzten Jahren. Seine Welt ist gut. Was soll schon geschehen?

Und dies ist das Stichwort, bei dem sich nicht nur der Film zum Guten, sondern sogar zu etwas Unglaublichem wandelt. Denn fernab von Dauerfauer-Action mit permanentem Geknalle, hat RAMBO: LAST BLOOD die wunderbare Struktur eines 70er-Jahre-Rachestreifens. Besonders mit DER MANN MIT DER STAHLKRALLE drängt sich ein Vergleich auf, wenn der wütende Rambo seinen aufgestauten Hass entladen will. Dabei merkt er jedoch leider, dass er nicht mehr so fit ist wie früher. Doch John Rambo war schon immer jemand, der konsequent wieder aufsteht und durch seine Fehler weiser wird. Und dann kann man nur noch sagen: Gnade Gott denen, auf die er wütend ist.

Nihilistische Gewalt, dem Tod ins Gesicht blickend

Die zaghaft portionierte Action entlädt sich in immer größeren Gewalt-Eruptionen. Einem ansteigenden Herzschlag gleich, wird der Takt immer schneller, immer extremer. Und das, obwohl bereits die ersten Momente von Rambos gerechtem Zorn zu einem „Holy Shit!“ Ausruf im Kino geführt haben (der von mir kam).

Regisseur Adrian Grunberg zeigt dabei, dass er sowohl unter Tony Scott, als auch Mel Gibson gelernt hat. Düster, dreckig und regelrecht apokalyptisch sind die Seitengassen Mexikos, in die es Rambo verschlägt. Dass dabei natürlich politisch motivierte Kritiken rassistische Tendenzen sehen und bei der Behandlung der Frauen sogar sexistische, das ist so alt wie das Rache-Kino selbst. Denn ist es nicht eigentlich ganz wunderbar, dass man eben im Kino nicht immer differenzierte Unterhaltung braucht? Hier bekommt man nämlich einfach mal eine Gewalt-Katharsis sondersgleichen serviert.

Ganz abgesehen davon, dass – abgesehen von Rambo – fast jede positive, als auch negative Figur mexikanischer Abstammung ist. Das Gut-Böse-Gefälle ist da sogar bei der Screentime ziemlich ausgeglichen. Was aber sicherlich bei vielen „politisch korrekten“ Besprechungen auf die Twitter-Drüse gedrückt hat, ist wahrscheinlich viel eher die Stimmung von RAMBO: LAST BLOOD. Denn was hier gezeigt wird, ist pessimistisch, nihilistisch, durch und durch wütend sowie richtiggehend menschenfeindlich. Rambo hasst nicht irgendeine Menschengruppe, nicht auf irgendein Land, sondern auf die Welt selbst.

Stallone enttäuscht eigentlich nie

Wenn die Rettungs-und-Rache-Portion – nach all den furchtbar ungelenken Dialogen – einsetzt, ist man erstaunt: Sylvester Stallone ist unglaublich gut als die Verkörperung der puren wütende Verzweiflung, die zum ultimativen Hass wird. Einem Hass, bei dem der Seelenschmerz jeder Pore zu tropfen scheint. Trotz seines Alters ist Stallone nach wie vor unglaublich beeindruckend. Wenn er mit verachtendem Blick einen anderen, kleineren Mann gegen eine Wand drückt und einschüchtert, dann hält man selber die Luft an. Jenseits von Sylvester Stallone sind alle anderen Akteure nur Stichwortgeber, Hass-Steigerer oder Fleisch für den Häcksler namens John Rambo.

Erinnerungen an den brillanten UNIVERSAL SOLDIER: DAY OF RECKONING werden immer wieder wach. Nicht nur beim extremen Untergrund-Finale, sondern bereits zuvor bei den Themen, die RAMBO: LAST BLOOD anreißt. JOHN RAMBO wirkt retrospektiv im Vergleich mit seinem Nachfolger regelrecht fröhlich und das will was heißen. Apropos DAY OF RECKONING: Was hätte wohl ein John Hyames aus RAMBO: LAST BLOOD machen können? Oder gar ein Mel Gibson?!?

Angst vor dem eigenen (Gewalt-)Schatten?

Wenn Rambo Leute nicht nur umbringt, sondern sprichwörtlich physisch zerstört und die Menschenhändler aufreibt, ist dies das sinnliche Erlebnis für die schwärzesten Dinge im Herzen eines Mannes. Die im Vorfeld präsentierten Schindungen und Schändungen durch die Gangster sind zwar fast vollständig offscreen, doch dermaßen schmierig und intensiv angedeutet, dass man, einmal mehr, an die 70er-Jahre-Streifen dieser Art denken muss.

Die rechtschaffene Entladung der Wut bringt viel Adrenalin mit sich und behält dabei konsequent den gleichen nihilistischen Ton bei. Dies war es wohl, was etliche negative Stimmen meinten, als sie sagten, dass die Gewalt hier „keinen Spaß“ mache. Denn man(n) will dabei regelrecht mit geballten Fäusten wütend in Richtung des dunklen Horizonts schreien. (Aber das ist im Sinne des aktuellen Gender-Zeitgeists wohl auch „toxic masculinity“ und nicht gern gesehen.)
Der Abspann – und merkwürdig nachgedreht wirkende Epilog – nehmen diesem Aufbäumen der Brutalität leider etwas den Wind aus den Segeln, was ziemlich schade ist. RAMBO: LAST BLOOD wäre ein perfekter Film, um kurz nach der letzten Gewalttat direkt ins Schwarz zu blenden. Um den Zuschauer direkt rastlos zurückzulassen. Aber vielleicht hatten die Macher dafür einfach nicht genug Mut.

Apropos „keinen Mut“: In Deutschland läuft ja sogar eine Version im Kino, die länger ist als die US-Fassung. Bei der hiesigen Variante fehlen  – allem Anschein nach – die Rettung zu Beginn, einige Dialoge der Gangster sowie ein Moment, in dem Rambo eine junge Frau verhört. Vielleicht hatte man da in den USA dann doch zu (noch mehr) Angst vor dem eigenen (Presse-)Schatten?

FAZIT: RAMBO: LAST BLOOD ist ein Film wie Rambo selbst – Furchtbar unbeholfen, wenn es um Dialoge geht, aber absolut in seinem Element, wenn es um Emotionen und Aktionen geht. Wenn man dem Streifen seine durchaus massiven Probleme nachsehen und sich ganz auf „Feel and Force“ einlassen kann, bekommt man einen angenehmen beweis dafür serviert, dass das klassische Rache-Kino doch noch nicht tot ist. Sehr wahrscheinlich hätte ein anderer, erfahrenerer Regisseur (und vielleicht ein mutigerer Stallone) diesen Film perfekt gemacht. Doch leider leben wir eben nicht in einer perfekten Welt.
Das betont auch RAMBO: LAST BLOOD und bekommt dafür (relativ) objektiv die
Bewertung 6 von 10 Punkte. Dazu kommt aber noch ein faustballender, leidenschaftlicher und wütender Schrei in die Dunkelheit der menschlichen Existenz.
Wer auf klassische Rache-Filme der 70er- und 80er-Jahre steht – und die Dialogprobleme größtenteils ignorieren kann – der kann sicherlich noch ein, oder vielleicht auch zwei Punkte dazurechnen.

P.S.: RAMBO: LAST BLOOD ist einer jener Streifen, der sicherlich sehr von einem ReCut, beziehungsweise generell von einer neuen Schnittfassung profitieren würde. Denn mit einem anderen ersten Drittel sowie einem fehlenden Epilog könnte das hier die intensive Gewalt-Action des Jahres 2019 werden.

P.P.S.: Und ein kleiner, dafür aber umso interessanterer „Moment in Time“ bezüglich dem amerikanischen Kritiker- und Zuschauer-Fazit, vom 24. September, um etwa 00.05 Uhr.