Midnight in Paris

Midnight in Paris
Originaltitel: Midnight in Paris – Erscheinungsjahr: 2011 – Regie: Woody Allen



Darsteller:
Owen Wilson, Rachel McAdams, Marion Cotillard, Michael Sheen, Adrien Brody, Alison Pill, Kathy Bates, Tom Hiddleston, Léa Seydoux, Kurt Fuller, Corey Stoll, Mimi Kennedy

Filmkritik: Paris ist, neben seiner berühmten romantischen Seite, vor allem auch bekannt als die Stadt der Künstler und Literaten. Für den Hollywood-Drehbuchautor Gil Pender (Owen Wilson), der mit seiner Verlobten Inez (Rachel McAdams) und seinen Schwiegereltern in der Metropole zu Besuch ist, geht beim Besuch der Stadt ein Traum in Erfüllung. Er ist momentan in einer unsicheren Phase. Er hat seinen ersten Roman geschrieben, ist sich aber unsicher ob seiner Fähigkeit als Autor. Da kommt der Besuch seiner Lieblingsstadt grade recht. Nostalgisch träumt er vom goldenen Jahrzehnt, den 20er Jahren, als die Großen Künstler in Paris ebenfalls ihre zweite Heimat gefunden hatten. Inez dagegen hat für das Leben der Boheme und der Nostalgie ihres Mannes nicht viel übrig. Sie lebt im Jetzt Sie geht lieber mit dem pedantischen Paul (Michael Sheen) aus, den Gil für einen aufgeblasenen Schaumschläger hält.
Als sich Gil eines Abends auf einem Solo-Spaziergang verläuft, hält in einer Seitenstraße Punkt Mitternacht vor ihm ein altertümliches Automobil und eine kleine Gruppe fordert ihn auf einzusteigen. Fasziniert folgt Gil der Aufforderung und landet auf einer Party der 20er Jahre, veranstaltet von Scott (Tom Hiddleston) und Zelda Fitzgerald (Alison Pill), während Cole Porter gerade am Klavier sitzt. Gil weiß zunächst nicht so ganz wie ihm geschieht, gibt sich der Situation aber alsbald hin und genießt.
Noch bevor die Nacht vorbei ist, hat er in einem Weinlokal Ernest Hemingway (Corey Stoll) gesprochen und soll sein Manuskript am nächsten Tag Getrude Stein (Kathy Bates) zur Prüfung vorlegen. Doch am nächsten Tag scheint alles nur ein Traum gewesen zu sein, denn als er, diesmal mit Inez, erneut an derselben Stelle auf das Auto wartet, passiert gar nichts. Inez fährt genervt ins Hotel. Doch als die Glocken zwölf schlagen, kommt erneut ein Wagen vorbei. An Bord: Pablo Picasso, Dali und ein Model namens Adriana (Marion Cotillard)…

Mit Woody Allen bin ich, ähnlich wie auch der Kollege des „Tonight is gonna be a large one“-Blogs, nie wirklich in Berührung gekommen. Nicht einmal die Klassiker sind groß ein Begriff, denn auch um Filme wie „Annie Hall“ wird seit langem unschlüssig umhergekrochen. Kurz gesagt: „Midnight in Paris“ ist eine reine Oscar-Sichtung.

Doch wie so oft bei diesen Sichtungen, die immer in der Zeit zwischen den Oscar-Nominierungen und der Verleihung Ende Februar stattfinden, ist es auch bei „Midnight in Paris“ so, dass man sich nach der Sichtung fragt: „Meine Güte, den Film hätte ich ja normalerweise nie geguckt. Warum eigentlich nicht zum Teufel??“.

„Midnight in Paris“ ist ein lockerer, leichter und gut gelaunter Ausflug ins Paris der Neuzeit und ins vergangene Paris der 20er Jahre ohne dabei in den Mainstream oder die Austauschbarkeit abzurutschen.
Owen Wilson, der sich spätestens mit diesem Werk nun wieder vollends rehabilitiert hat, erlebt als Gil Pender eine Reise wie sie wohl jeder Vergangenheits-Liebende Mensch gerne einmal machen würde. „Früher war alles besser? Das wollen wir doch nochmal genau prüfen“ könnte die Devise lauten.

Dabei dient dem Film die Gegenwarts-Handlung, trotz aller beindruckender Schauspieler mehr als Aufhänger und Mittel zum Zweck, denn das Herzstück ist für Allen unverkennbar das Paris der 20er. Mit einem hübschen, etwas gelbstichigen Look und jeder Menge geschliffener Dialoge lässt er praktisch jeden der einst in der Kunstszene einen Namen hat/hatte auf Gil treffen. Und auch wenn man, wie wohl viele der Zuschauer, nicht viel mit der Kunst oder der Kultur dieser Epoche anfangen kann oder sich schlicht zumindest noch nie damit beschäftigt haben, erzeugen allein schon die Namen wie Ernest Hemmingway oder Pablo Picasso ein breites Grinsen auf dem Gesicht. Denn mit welcher Naivität Gil sich der Situation hingibt plötzlich in der Vergangenheit zu sein, macht einen Großteil des Spaßes aus den man mit „Midnight in Paris“ hat. Zudem wissen nun besonders die exzellenten Gespräche zu überzeugen, die z.B. Hemmingway als extrem schnoddrigen Typen darstellen, dem man nur zu gerne über den Krieg philosophieren hört, bevor er kurz darauf einen Freiwilligen für ein Boxmatch sucht.
Nicht jeder Seitenhieb auf die Werke der überlebensgroßen Vorbilder von Gil wird beim Zuschauer ankommen, doch den Spaß trübt dies kaum. Zur Not kann man die Gunst der Stunde nutzen und sich im Nachhinein noch etwas weiterbilden. Will heißen: Es ist hauptsächlich die generelle Inszenierung der großen Namen der Kulturgeschichte und die charismatisch sympathische Darstellung, die hier wahrlich großen Spaß macht.
In der Gegenwarts-Handlung des Films begnügt sich Allen mit Fragen der Politik und der wahren Liebe, würzt aber auch hier wieder mit tollen Figuren, allen voran Michael Sheen als alles wissender, von sich selbst am meisten überzeugter Kunstexperte und Großmaul.

Wieder mal kann Allen, wie schon mit „Vicky Christina Barcelona“ und „Whatever Works“ überzeugen und kommt auf der „was schaue ich mir denn mal an“-Liste ein gutes Stück nach oben. Die Chancen für „Best Picture“ oder „Best Director“ stehen wohl trotzdem eher bescheiden, „Best Original Screenplay“ kann man aber definitiv in die engere Wahl nehmen.

Filmbewertung: 8/10