Die dunkelste Stunde
Originaltitel: Darkest Hour – Erscheinungsjahr: 2017 – Regie: Joe Wright
Erscheinungstermin: Seit 18. Januar 2018 im Kino
Darsteller: Gary Oldman, Kristin Scott Thomas, Ben Mendelsohn, Lily James, Ronald Pickup, Stephen Dillane, Nicholas Jones, Samuel West, David Schofield, Richard Lumsden, Malcolm Storry
Filmkritik: Mai 1940: Das anfängliche Kriegsglück der Nazis stürzt die britische Regierung in eine existenzielle Krise, Premierminister Chamberlain tritt zurück. Nur dem reichlich unpopulären Winston Churchill (Gary Oldman) traut man zu, die scheinbar ausweglose Lage in den Griff zu bekommen. Er übernimmt das Amt, sieht sich aber bald von Öffentlichkeit und Regierungsmitgliedern bedrängt, mit den scheinbar unaufhaltsamen Nazis über einen Friedensvertrag zu verhandeln. Doch durch seine außerordentliche Weitsicht und Integrität gelingt es Churchill dennoch, an seiner Überzeugung festzuhalten und für die Freiheit seiner Nation zu kämpfen.
Als die Luftschlacht um England entbrennt und die deutsche Invasion droht, wenden sich das überrumpelte britische Volk, der skeptische König und sogar seine eigene Partei von Churchill ab. Wie soll es ihm in dieser prekären Situation seiner Karriere gelingen, das Land zu einen und den Lauf der Weltgeschichte zu ändern?
“How do you manage drinking during the day?” “Practice.”
“Darkest Hour” ist in erster Linie ein Film der ein detailliertes Bild auf einen entscheidenden Abschnitt mit Leben von Winston Churchill wirft. Wie ist er ins Amt gekommen, was waren seine Gepflogenheiten, sein Charakter und woher kommt sein guter Ruf aus dieser wahrlich dunkelsten Stunde des beginnenden zweiten Weltkriegs?
„Darkest Hour“ spielt im Zeitraum von einem Monat, dem Mai 1940. Ein sehr prekärer Monat der Menschheit. Denn Nazi Deutschland ist drauf und dran Europa einzunehmen. Polen, Skandinavien, Niederlande, Belgien. In Rekordzeit fallen vor allem die „low countries“ den Nazis in die Hände. Die Französische und Britische Armee wurde bereits bis an die Nordküste Frankreichs zurückgedrängt und wartet dort auf den Abtransport. Da dieser nur sehr schleppend erfolgen kann aufgrund des nicht ausgebauten Seehafens warten sie aber eher auf den sicheren Tod. Das würde das Ende Europas bedeuten und die wahrscheinliche Übernahme Großbritanniens durch Hitler. Hier kommt Churchill ins Spiel um das Unheil doch noch abzuwenden.
„My father was like God… busy elsewhere.”
Den Einblick den der Film in die Person Winston Churchill gibt ist sehr interessant. Es ist ja beileibe nicht der einzige Film, der die Person versucht darzustellen. Aber das Schauspiel von Gary Oldman als Winston Churchill zählt wohl zweifellos zu den besten Darbietungen dieser Figur. Angefangen von der verblüffend ähnlichen Maske und Statur bis hin zu all den kleinen Marotten, wie dem Hang zum Murmeln, die oft flapsige Ausdrucksweise und die leichte Überheblichkeit, bildet Oldman die Figur sehr detailliert ab.
Eine schöne Dynamik entsteht auch zwischen Churchill und seiner Schreiberin Elizabeth Layton (Lily James). Nach einem mehr als schlechtem ersten Eindruck bei dem man Churchill von seiner wenig charmanten Seite kennen lernt, wird sie dann doch noch eine etablierte „Tippse“ für alle seine Telegramme und Reden. Da er viel und gerne redet, führt das zu einigen skurrilen Szenen. So tippt sie einmal sein „Gemurmel“ mit, während er unter der Dusche steht (sie ist dabei natürlich vor der Türe). Als er dann plötzlich und unvermittelt sagt „I’m coming out in a state of nature.“ macht sie sich schnell aus dem Staub. Anschließend stiefelt er nackt aus dem Bad.
Von faszinierender Gegensätzlichkeit ist auch die Beziehung zum König von England „King George VI“ (bereits in „The King’s Speech“ gewürdigt). Bei den ersten Treffen hat man ohne Zweifel den Eindruck das sich die beiden kaum riechen können. Umso überraschender der spätere, sehr wichtige Wandel des Königs. Ebenfalls nicht unerheblich beim Siegeszug Churchills.
„Would you stop interrupting me while I am interrupting you?”
“Darkest Hour” bietet neben den Einblicken ins Churchills Person also auch eine weitere Aufarbeitung der Dunkirk Rettungsaktion namens “Dynamo” (dessen Namens-Entstehung der Film ebenfalls aufdeckt). Das ist insofern gut, weil Dunkirk dazu beigetragen hat den Ruf von Churchill zu zementieren. Ein anderer Ausgang aus der prekären Situation in Frankreich wäre fatal gewesen.
Andererseits gibt es im selben Jahr bereits einen Film der das Maximum aus der Dunkirk Thematik herausholt, nämlich Nolans „Dunkirk“. Aber die beiden Filme teilen sich die Situation gut auf. Wo Nolan nur die Soldaten und die Rettung zeigt, schaut Joe Wright in „Darkest Hour“ in hinter die Kulissen. Die Soldaten existieren hier nur auf der Landkarte.
Ein paar Freiheiten seien dem Film auch gegönnt. So wird aufgezeigt, dass Churchill sich gerne mal unters Volk gemischt hat um die Meinung der Nation einzuholen. Im Film geschieht dies, weil er sich entscheiden muss ob der Versuch eines Friedensvertrags mit Deutschland (was er kategorisch ablehnt) beim Volk überhaupt auf Einklang stößt. Dazu begibt er sich (zum ersten Mal in seinem Leben) an Bord der Londoner U-Bahn. Die Meinung des Volkes ist eindeutig: Den Nazis die Stirn bieten.
Am Ende ist „Darkest Hour“ eine gelungene Aufarbeitung einer kritischen, historischen Thematik. Die Eingrenzung auf diesen kurzen Zeitraum kommt dem Film sehr gelegen. Es ist trotzdem noch genug Zeit Winston Churchill mehr als nur ein Profil zu verpassen, sondern etabliert die Figur sehr gekonnt im Zeitgeschehen. Dennoch verschwindet die Gesamtsituation nie im Hintergrund. Perfekt abrunden kann man „Darkest Hour“ wenn man im Anschluss direkt „Dunkirk“ in den Player legt.
Filmbewertung: 8/10
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