John Wick: Kapitel 3
Originaltitel: John Wick: Chapter 3 – Parabellum – Erscheinungsjahr: 2019 – Regie: Chad Stahelski
Erscheinungstermin: Ab dem 23. Mai 2019 im Kino
Darsteller: Keanu Reeves, Halle Berry, Laurence Fishburne, Mark Dacascos, Asia Kate Dillon, Lance Reddick, Anjelica Huston, Ian McShane, Saïd Taghmaoui, Jason Mantzoukas, Robin Lord Taylor, Jerome Flynn, u.A.
Filmkritik: Ok, einfach mal gerade raus: JOHN WICK hatte immer schon mehr Hype, als ihm zusteht. Beim Erstling freuten sich noch alle, dass endlich mal ein Actionfilm aus Amerika so etwas wie eine gute Choreographie hatte und – SCHOCK! – die Kamera geradeaus halten konnte, ohne spastisch rumzuzappeln.
Der zweite Streifen hat dann gezeigt, dass das auch mit größerem Budget geht und weiterhin waren alle Leute geil auf die Action. Denn bei so Sachen wie MILE 22, die geschnitten sind, als hätte man sie nach einem Unfall mit einem Schredder wieder zusammengesetzt, stimmten auch bei JOHN WICK 2 die Choreographie, sowie die örtliche Zuordnung der Schauplätze. Dazu gab es etwas mehr von der eigenen Unter-/Zwischenwelt der Killer und einen satten Cliffhanger als Finale.
Die Steigerung von all dem wird nun in JOHN WICK 3 serviert. Und, nein, eine Steigerung muss nicht immer „besser“ sein. Denn bei diesem Teil ist vieles größer: die Action, der Bodycount und das Creative-Killing. Nur anscheinend wollte man sich keine Handlung mehr einfallen lassen, denn was hier serviert wird, das passt gerade mal auf einen halben Bierdeckel.
Party-Time-Testosteron-Overload
Aber ist Handlung denn für einen Actionfilm wichtig? Verdammt, ja! Beziehungsweise: eine Geschichte ist wichtig, ein dramaturgischer Aufbau. Deshalb hat der erste JOHN WICK – trotz seiner schlappen zweiten Hälfte – so viele Leute überzeugt. Die Eskalation stimmte und man konnte das Leid von John Wick mitfühlen, der eigentlich nur in Gedanken an seine tote Frau leben wollte.
War die erste Fortsetzung emotional schon spärlicher ausgestattet, gibt es in JOHN WICK: KAPITEL 3 eigentlich einen interessanten Ansatz, um das Ganze weiterzuspinnen. Aber die sprichwörtlichen zweieinhalb Szenen, die damit über die über zweistünde Laufzeit serviert werden, sind einfach zu wenig. Dafür gibt es ein „Fuck you! Schau Teil 4!“-Ende, das den Cliffhanger von JOHN WICK 2 wie eine in sich runde, abgeschlossene Sache erscheinen lässt.
Aber die Action, die ist doch richtig geil, oder? Ja, und wie! Die erste halbe Stunde in der Pressevorstellung war der absolute Hammer: Testosteron-Grölen, „Uh, autsch!“-Rufe und gewaltgeile Lacher am laufenden Band! Party-Time, exzellent! … doch dann hört das Band eben einfach nicht mehr auf.
Spätestens wenn Halle Berry so um die Mitte herum irgendwann auftaucht, um eigentlich gar keinen Nutzen zu haben, außer zu sagen: „Hi, ich bin für die kommenden dreißig Teile wohl wichtig!“, beginnt sich die Action zu ziehen. John Wick darf wahre Heerscharen von unfähigen Bodycount-Idioten über den Haufen schießen und der Kill-Counter ist wohl in der ersten Stunde schon im dreistelligen Bereich.
Mit den nach oben schnellenden Tötungszahlen, kommt aber auch immer mehr die Apathie. Der Adrenalinpegel lässt nach, die Großartigkeit der Actionmomente wird zum sattsam bekannten Treiben. Ein endloses Ballett der toten Körper, durch die der schier unbesiegbare John Wick wütet.
War sein eiskaltes Vorgehen im Erstling noch eine Augenweide und wurde im zweiten Streifen noch weiter überzogen, scheint er hier nun kaum mehr irgendeinen Schaden zu nehmen. Entweder wird er nicht angekratzt, oder schüttelt es locker weg, hintereinander durch fünf Glaskästen gekickt zu werden.
Wie sollte man auch eine Pause machen? Immer weitere Opfer werden herangekarrt, um in der wunderbaren Optik edel in ihre Einzelteile zerlegt zu werden. Doch wo ist die Eskalation, wo ist die Spannungsschraube?
Übers Ziel hinausgeschossen …
Wenn dann im letzten Drittel ein einziges Massaker angestimmt wird, hätte eigentlich die Action-Gurke senkrecht stehen müssen. Doch nach den letzten 254 Typen, die sich überschätzt haben und gegen Wick vorgegangen sind, sollen nun 50 weitere Heinis plötzlich das Blatt wenden?
Mit dem von Mark Dacascos überraschend humorvoll gespielten Zero gibt es einen schönen Endgegner, den ersten vernünftigen in der gesamten JOHN-WICK-Serie. Doch selbst dessen großen Moment im Kampf mit dem Titelhelden kann der Streifen ruinieren, da er zuvor zwei(!) weitere lange Prügeleien einbaut. Eine absolut unnötige und eine überraschend fantastisch-ehrenhafte, die große Spielfreude zeigt, aber eben auch gegen ziemliche No-Names geschieht.
Wenn dann John Wick gegen Mark Dacascos kämpft, schaut man eher auf seine innere Uhr. Da tun auch die – nach wie vor fantastischen – Choreographien und abgefahrenen Bilderwelten nicht viel. Von Teil zu Teil wurde die Welt der Killer nämlich immer mythologisch verbrämter, so dass man nun bei JOHN WICK 3 regelrecht metaphysische Grenzen erreicht hat, wenn es um die Führungsriege der Organisation geht. Doch nicht nur an dieser Stelle, wird der Realität der Boden unter den Füßen weggezogen. Wer glaubt, dass die Schießereien in der Öffentlichkeit in JOHN WICK 2 etwas lächerlich waren, der hat noch gar nichts gesehen.
… und dazu noch extrem überzeichnet.
Da JOHN WICK 3 in einer überzeichneten Cartoon-Welt spielt, Optik und Fähigkeiten seiner Figuren inklusive, dann zerstört das, gekoppelt mit dem scheinbaren Unbesiegbarkeitsmodus der Hauptfigur und dem regelrecht parodistischen Bodycount, einen großen Teil der Spannung. Als Zuschauer hofft man nicht mehr, dass Wick überlebt, sondern eher darauf, den nächsten „coolen Kill“ zu sehen. Das ist natürlich auch eine Art von Dramaturgie, nur eben eine deutlich seichtere.
Das Drolligste bei all dem? JOHN WICK 3 ist trotz all diesen Meckerpunkten höchst sehenswert. Es ist eine exzellente Action-Show, für die Keanu Reeves und alle Stuntleute sichtlich viel gegeben haben. Regisseur Chad Stahelski kann großartige Actionszenen inszenieren, nur leider keinen spannenden Actionfilm. Erst recht keinen, der trotz einer angeschwollenen Laufzeit von 131 Minuten nicht mal ansatzweise eine in sich geschlossene Geschichte erzählen kann. Wie gesagt, all das hier ist Meckern auf hohem Niveau. Gerade aber bei der Action wäre es einfach wunderbar, wenn der Streifen ein (viel) besseres Fundament hätte, um all das zu präsentieren.
FAZIT: JOHN WICK 3 sieht fantastisch aus, hat teils brillant choreographierte Actionszenen, einen erstklassigen Hauptdarsteller und gelungene Supporting-Cast und doch … Der Film ist so, als würde man in ein Restaurant gehen und ein erstklassiges Essen mit einer himmlischen Action-Soße serviert bekommt, nur damit der Chefkoch vorbeikommt, sagt „Sie mögen die Soße? Sehr schön, ich hab da was für sie!“ und dann den kompletten Topf mit der Actionsoße auf dem Tisch ausleert.
Hätte man etwas Maß gehalten und das Niveau aus Spannung, Killer-Ehre und Gewalt wie in den ersten dreißig Minuten über 90 Minuten hinweg servieren können, dann wäre JOHN WICK 3 absolut brillant. Bei Chad Stahelskis Arbeit gibt es definitiv viel zu mögen, doch eben auch leider sehr viele Versäumnisse. Action kann der Mann, jetzt müsste nur die Handlung und Dramaturgie ähnlich intensiv choreographiert sein … Bewertung: 6/10 Punkte (Wobei man sicherlich zwei Augen zudrücken und zwei Punkte dazurechnen könnte, wenn man sprichwörtlich NUR Action sehen will.
Zusatz-Gedanken:
- Die ersten Einspielergebnisse zeigen, dass JOHN WICK 3 direkt auf Platz 1 der US-Charts eingestiegen ist. Gut für ihn, doch damit ist leider zu befürchten, dass die Macher den gleichen aufgeblähten Kurs weiterverfolgen werden.
- Wenn JOHN WICK 3 auf Blu-ray keine Untertitel-Spur mit einem mitlaufenden Bodycount-Zähler hat, bin ich sehr enttäuscht. Denn wenn ein Streifen so etwas braucht, dann dieser!
- Und ich weiß ja nicht, durch welche persönlichen Probleme die Macher gerade gehen, doch selten gab es so viel „Dick-struction“ in einem Actionfilm wie bei JOHN WICK 3. Das nimmt schon COCK-PUNCHER-Dimensionen an!
- Wie kann es sein, dass man für dieses NICHTS von einem Drehbuch GANZE VIER DREHBUCHAUTOREN BRAUCHT?!?
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