The Social Network
Originaltitel: The Social Network – Erscheinungsjahr:2010 – Regie: David Fincher
Darsteller: Jesse Eisenberg, Justin Timberlake, Andrew Garfield , Rooney Mara, Bryan Barter, Dustin Fitzsimons, Armie Hammer, Joseph Mazzello, Patrick Mapel, Max Minghella, Toby Meuli, Alecia Svensen, Calvin Dean
Filmkritik: Als bekannt wurde, dass der neue Film von Regisseur David Fincher („Fight Club“, „Se7en“, „The Curious Case of Benjamin Button“) von der Gründung und dem Aufstieg der Onlineplattform „Facebook“ handelt, war ich zunächst sehr unschlüssig darüber, ob ich mich drauf freuen sollte oder nicht. „Facebook“ hat mich generell bis jetzt nicht interessiert und schreckt mich auch viel mehr ab als das als „Datenkrake“ bezeichnete Unternehmen „Google“.
So harrte ich der Dinge die da kommen sollten. Der erste Trailer begeisterte mich ebenfalls nur unwesentlich, aber irgendwie stieg in mir doch der Wille hoch mir „The Social Network“ anzusehen. Es war wohl vor allem die absolute Ungewissheit und die geringe Erwartungshaltung, die mich dazu antrieb…
Der Film beginnt in einer typischen Studentenkneipe. Ein Junge mit lockigem Kopf und offensichtlicher „ich bin Schlauer als der Rest „ Attitüde redet mit seiner Freundin. Man merkt schnell, dass sich die beiden gegenseitig ankotzen. Sie ist ihm zu dumm, er ist ihr zu eingebildet. Am Ende der 10 minütigen Sequenz macht das Mädchen mit dem Jungen Schluss. Der Junge, das ist Mark Zuckerberg(Jesse Eisenberg). Etwas eingeschnappt aber irgendwie auch völlig planlos wie man auf die Situation nun angemessen reagiert, geht er auf sein Studentenzimmer, lädt sich von den Webseiten diverser Unis mit ein paar Scripten die Bilder der weiblichen Studenten runter, lässt sich von seinem besten Freund Eduardo(Andrew Garfield) noch schnell den Code einer Schachvergleichsseite erklären und baut diesen anschließend in seine Seite ein. Fertig ist Facemash.com, eine Seite auf der 2 Frauenbilder geposted werden und man entscheiden kann ob die linke oder die rechte besser aussieht. Nach 2 Stunden und 22.000 Klicks raucht die Internetverbindung der Uni ab.
Dieses kleine Experiment, das Zuckerberg zwischendurch immer wieder in seinem Blog dokumentierte, sich dabei mit Bier voll laufen ließ und in obszönen Worten über seine Ex-Freundin herzog, blieb natürlich nicht ungehört. 3 Harvard-Fuzzies wenden sich an Zuckerberg um ihn ihre Idee einer elitären Studentenseite entwickeln zu lassen, nur für Harvard-Studenten. Dort könnte man z.B. untereinander kommunizieren und nebenbei würde sich Mark auch seinen Ruf wieder verbessern können. Zuckerberg ist zunächst scheinbar interessiert, doch ihm kommt eine viel bessere Idee und zusammen mit Eduardo und 1000€ Startkapital setzt er diese auch in 42 Tagen um. Logisch das seine ehemaligen Auftraggeber hier Ideenraub vermuten. Und während sich Zuckerberg mit Anklagen konfrontiert sieht(die ihn so gar nicht jucken), wird seine kleine Idee mit der Unterstützung von „Napster“-Erfinder Sean Parker(Justin Timberlake) unter dem Namen „Facebook“ quasi zum Selbstläufer, doch zu welchem Preis?…
Die ersten Gedanken die einem durch den Kopf gehen wenn man von der Idee zu diesem Film liest sind wohl: „Wieso jetzt schon, wieso überhaupt, ist das nicht total langweilig?“ Die Antworten zu diesen Fragen kann man sich zwar hinterher trotzdem nicht alle beantworten, aber die wichtigste schon einmal vorweg: Nein, das ist schwer unterhaltsam!
Fincher geht das Thema mit seinem großartigen Drehbuchautor Aaron Sorkin(„Sports Night“, „Studio 60 on the Sunset Strip“, „The West Wing“) genau richtig an. Er packt das Biopick-Genre quasi bei den Eiern und verpasst dem ganzen einen richtig frischen, modernen Anstrich ohne die althergebrachten Kernpunkte aus den Augen zu verlieren. Dabei hält sich Fincher selbst weitestgehend zurück, verzichtet zwar Gott sei Dank nicht gänzlich auf seine gewohnt dunklen Farbtöne und seine interessanten Kamerafahrten, aber lässt das meiste von seinem fantastischen Darstellerensemble und dem perfekt durchkomponierten Drehbuch erledigen. Besonders Skriptautor Sorkin hat sich hier mal wieder selbst übertroffen. Der erste Dialog ist bereits erste Klasse und fast genau in diesem Tempo und mit genau dieser Genialität geht es immer weiter. Hier wirkt jeder Satz wie ein kleines geschliffenes Juwel und jede gut eingebaute Storyentwicklung beinahe wie eine Gabe Gottes. Das klingt nun bestimmt alles völlig abgedroschen, aber nur selten in den letzten Jahren habe ich 120 Minuten lang so gebannt auf die Kinoleinwand gestarrt, habe an nichts gedacht außer daran was momentan im Film passiert und dachte mir während des Abspanns:“Sitze ich nicht erst 10 Minuten hier?“. Einfach ganz, ganz stark.
Natürlich geht das hohe Tempo des Films und die exzellente Kurzweiligkeit der Erzählung ein wenig auf Kosten der Tiefe einiger Figuren und Ereignisse. Gerade im letzten Drittel des Films werden einige Situationen etwas schroff und grob abgehandelt und einige Figuren etwas oberflächlicher als gewohnt angefasst.
Trotzdem verliert der Film aber an den richtigen Stellen auch die kleinen Sachen nicht aus den Augen. Da gibt es z.B. Fachjargon zur Webentwicklung was ich in dieser Genauigkeit bislang noch nie in einem Film gehört oder gesehen habe. Zwar ist die Genauigkeit immer noch nur ca. 1 Millimeter unter der Oberfläche, aber das ist immerhin schonmal sehr viel mehr als jeder andere Film der IT-Themen anpackt.
Unterstützt wird das Ganze von einem ungewohnten aber gerade deswegen wohl auch grandiosen Soundtrack. Trent Reznor, Frontmann der Band „Nine Inch Nails“ hat hier zusammen mit Atticus Ross einen phänomenal guten Elektrosoundtrack erschaffen, der mit seiner Mischung aus schroffen und verträumten Klängen immer wieder für eine Überraschung gut ist. Ich bin absolut kein Fan moderner, elektrischer Musik aber das was hier komponiert wurde ist durchweg einfach perfekt und passt auch wunderbar zum Film und dessen Stimmung dazu, auch wenn der Soundtrack durchweg irgendwie sehr düster daherkommt.
Allen voran sei die Elektroversion zu „In the hall of the mountain king“ hervorgehoben, die eine perfekt fotografierte Szene hier bis zur Perfektion untermalt. Grandios! Derer Szenen gibt es noch ein paar mehr, woran man sieht, dass der Film nicht nur wegen Sorkins Dialogen punktet.
Enttäuschen muss man wohl all diejenigen die wirkliche Antworten zum Phänomen „Facebook“ gesucht haben. Der Film sieht sich nicht als Werbefilm, sondern geht das Thema im beschränkten Rahmen auch kritisch an, hält sich mit einer eigenen Meinung aber ziemlich zurück. „The Social Network“ wandelt sich zudem schnell von einem „Facebook“-Film hin zu einem packenden Drama um Freundschaften und Feindschaften, und benutzt die Facebookplattform nach der Einführung mehr als Aufhänger über allem.
Eine gute Entscheidung war es den Film auf mehreren Ebenen laufen zu lassen. So entspringen die meisten Szenen Zeugenaussagen in 2 parallel laufenden Prozessen gegen Zuckerberg und werden somit nicht oder zumindest nicht immer von Zuckerberg selbst erzählt. So entziehen sich die meisten Szenen auch ihrem Anspruch auf Glaubwürdigkeit, denn wie Zuckerberg im Film selbst betont, soll ja auch ein unter Eid stehender Zeuge schonmal gelogen haben. Fincher und Sorkin umschiffen so elegant die typischen Konventionen des Biopics mit erfrischend anderer Herangehensweise.
Schauspielerisch bekommt man fast ausschließlich relativ unbekannte Gesichter zu sehen, doch trotzdem oder evtl. auch gerade deswegen spielt „The Social Network“ auch schauspielerisch auf einem sehr hohen Level. Jesse Eisenberg zeigt zwar recht wenige Emotionen und hat keine Szenen in denen man sich nun explizit denkt „Wow, genial gespielt“ aber er spielt seine Rolle des exzentrischen und unmöglich zu durchschauenden Gründers durchweg beindruckend gut. Erneut überzeugend ist auch Justin Timberlake als „Napster“-Miterfinder Sean Parker, für den die Rolle zwar auch wie geschaffen zu sein scheint aber er sie eben auch mit der benötigten Coolnes und Abgezocktheit spielt.
Ist der Facebook-Film nun zu früh erschienen? Zuckerberg ist gerade mal 26 Jahre alt. Die Firma steht im Grunde immer noch ganz am Anfang und ist jetzt schon eine größere und beängstigendere Datenkranke als Google. Aber der Film passt sehr gut, sogar perfekt in die heutige Gesellschaft und das Erscheinungsjahr, 7 Jahre nach den Ereignissen, ist somit irgendwo doch ideal gewählt. Was aus „Facebook“ wird und wie sich alles weiter entwickelt wird sich zeigen, evtl. gibt es dann in 10, 20 Jahren einen weiteren Film wo man sieht wie sich „Amazon“, „Google“ und „Facebook“ zu einer Superfirma zusammenschließen. Wer weiß, aber solange erfreuen wir uns erst einmal an diesem genialen Werk. Sehr gute:
Filmbewertung: 9/10
Zweitsichtung(18.12.2010):
In der O-Ton Zweitsichtung konnte nun die letzte Restskepsis wegefegt werden. Der Film macht hier einen noch runderen Eindruck und das Dialogfeuerwerk entfaltet sich auch erst hier in seiner Geschwindigkeit und Schlagzahl so richtig. Einzig und allein die Deutsche Übersetzung zu "wired in" mit "im Tunnel" gefiel mir viel besser. "Im Tunnel" passt einfach besser zur Situation als "wired in". Aber gut. Der Rest war dafür phänomenal und ich saß knappe 2 Stunden fast immer mit einem breiten Grinsen vor dem Fernseher. Mein Film des Jahres.
10/10
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