Thor: The Dark World

Thor 2 – The Dark Kingdom
Originaltitel: Thor 2 – The Dark World – Erscheinungsjahr: 2013 – Regie: Alan Taylor

thor-2-plakat

Darsteller: Chris Hemsworth, Natalie Portman, Tom Hiddleston, Stellan Skarsgård, Idris Elba, Christopher Eccleston, Adewale Akinnuoye-Agbaje, Kat Dennings, Ray Stevenson, Zachary Levi, Jaimie Alexander, Rene Russo u.A.

Filmkritik: Fallen wir doch mal mit der Tür ins Haus: Willkommen zum wahrscheinlich schlechtesten „Marvel“-Superheldenfilm des aktuellen Mega-Franchises! „Uh, der Schlechteste?!? Echt jetzt?“ Ja, leider und das hat – natürlich – gleich mehrere Gründe.

1. Die Story: Böse Dunkelelfen haben Zerstörungsdingsums, Dingsbums dringt in Natalie Portman ein (hört sich jetzt interessanter an als es ist). Böser Dunkelelf will Portman Dingsen, um den Zerstörungsbums zurück zu bekommen. Team-Up mit Loki, Endfight, Film aus.

Wow. Dabei ist Christopher Eccleston eigentlich eine tolle Wahl, um den Schurken zu spielen. Das Problem dabei: Kein. CHARISMA! Wie auch? Die ultra-klischeehafte Hintergrundgeschichte samt dreist-ähnlicher Rückblende ist im „Herr der Ringe“-Modus und entbehrt gänzlich so etwas wie origineller Eigenheiten. Eccleston selbst darf überhaupt nicht scheinen. Nicht sinister, nicht over-the-top, gar nichts. Selten war ein MacGuffin macguffiger und selten war ein Schurke langweiliger. Selbst das Design ist zwar handwerklich ausgezeichnet, aber so uncharismatisch und langweilig, dass man Probleme haben dürfte das Ganze als etwas anderes als „so böse Elfen mit spitzen Ohren und schwarzer Tracht halt“ zu beschreiben.

2. Der Humor: Oh Gott, der Humor. Bereits der Erstling hatte lockere Selbstironie, hier und da sogar Slapstick-Momente und vielleicht etwas bemühte Sidekicks. Für die Fortsetzung hat man das Ganze MULTIPLIZIERT UND AUFS MAXIMUM HOCHGEDREHT. Erinnert sich jemand an die bemüht witzige (da ist es wieder!) Sidekick-Wissenschaftlerin aus Teil 1? Ja, sehr gut. Die hat jetzt eine größere Rolle, deutlich mehr deutlich weniger pointierten Humor UND noch einen eigenen Sidekick zur Seite gestellt bekommen. Sidekick-itis quasi, wenn dem „Comedy Relief“ ein „Comedy Relief“ zur Verfügung gestellt wird. Gleichzeitig darf Stellan Skarsgård nach seinen Erlebnissen aus „The Avengers“ nun auch „voll crazy und so“ sein und ohne Hose in Stonehenge rumlaufen oder anderen Schabernack treiben. Anscheinend ist dies eine Auswirkung davon, dass er von Loki „besessen“ war in diesem Streifen. Heißt das im Umkehrschluss, dass nun auch der ebenfalls besessene Hawkeye eine Aversion gegen Hosen entwickelt? Die werten Damen muss man doch auch irgendwie anders in den Saal kriegen…
Tragisch bei dem Punkt „Humor“ ist, dass auch immer noch viele Momente enthalten sind, die extrem lustig sind. Thor, der kurz überlegt und dann beim Betreten einer normalen Wohnung seinen Hammer an die Garderobe hängt und generell etliche Momente mit Loki, denn Tom Hiddleston hat sichtlich Spaß bei seiner exaltierten Performance. Nur in diesem riesigen Meer von „Sidekick hat Sidekick hat Sidekick“-Syndrom, bei dem kaum eine Situation ohne „Bwahaha“-Moment auskommt, ersaufen die guten Pointen in einem Meer der Mittelmäßigkeit. Und generell frage ich mich: Kann man bei dieser Gag-Fülle „Thor 2“ eigentlich schon als Komödie werten?

Ein weiteres Problem: Die durchaus vorhandenen dramatischen Elemente wirken ungelenk, wenn nicht sogar bizarr. Ein geliebter Mensch stirbt, Beerdigung und weiter geht der Humor-Overkill, welcher – auch wieder dank des eigentlichen Star des Films – zu einem netten Gastauftritt aus dem „Marvel-Universum“ führt. Nicht nur, dass drei komplette „Comedy Relief“-Charaktere mindestens ein, wenn nicht zwei zu viel sind, so rauben deren Eskapaden wertvolle Zeit, die viel besser zum Charakterisieren des Bösewichts hätte genutzt werden können, oder um zumindest die Spannung noch etwas mehr zu fördern. Aber nein, die Zuschauer lachen halt gern und „Thor“ muss man für den Durchschnittszuschauer natürlich immer mit einer ordentlichen Portion Selbstiornie – was im Erstling zumindest gut geklappt hat – abfedern, da sonst schnell wieder die Kritik kommt, dass dies ja alles „lächerlich“ und „trashy“ sei. Ok. Aber um sich da am Dutzendgeschmack anzubiedern – was natürlich in Anbetracht des riesigen Budgets in Maßen durchaus Sinn hat – hat Marvel leider einen weiteren, immensen Fehltritt getan:

3. Das Design: Oh mein Gott²! Teil 1 hat Jack Kirbys andersweltige Götterarchitektur kongenial auf die Leinwand gebannt. Lichtsäulen, güldene Paläste in der Unendlichkeit des Seins. Die Wesen rund um Thor waren fantastische Techno-Götter, deren Erscheinung die sagen rund um Odin und Co. auf unserer Welt inspiriert haben. Es war eine farbenfrohe, andersartige Sphäre, welche den Zuschauer wortwörtlich „in eine andere Welt“ entführt hat und im gelungenen Kontrast zur irdisch texanischen Einöde stand. Und jetzt?

Es gibt ein verregnet-graues London, was nicht so schlimm ist, viel erschreckender: Weil anscheinend manch ein, oder leider etliche … nennen wir sie mal „unbedarfte Durchschnittszuschauer“ anscheinend mit der originellen Welt von Thor überfordert waren und das Ganze „cheesy“ oder einfach nur „trashig“ genannt haben, ist Marvel nun anscheinend eingeknickt. Sie sind hingegangen und hat irgend einen Auftragsgehilfen-Regisseur von „Game Of Thrones“ für die Regie geholt und das Design abgeändert. Die Leute von Asgard treffen sich nun nicht mehr in schimmernden Hallen und erscheinen in glänzenden Rüstungen, nein, sie sitzen in MITTELALTER-KNEIPEN MIT FACKELN AN DEN WÄNDEN und ihre Brustpanzer und Co. sehen deutlich mitgenommener aus, halt so, wie Michael und Maria Mustermann das von jeder 08/15-Fantasy-Geschichte kennen und sich nun nicht mehr fragen: „Warum glänzt das denn da?“ oder „WARUM SIEHT DAS NICHT WIE JEDER ANDERE FANTASY-FILM AUS DEN ICH JEMALS GESEHEN HABE?“
Man merkt vielleicht ein klein wenig im Ansatz, dass ich diesen Punkt mit am schlimmsten finde, denn gerade Kenneth Branaghs vortreffliche Regie und sein Gespür für die passende Optik werden von Alan Taylor, Mr. 08/15, so extrem mit Füßen getreten. Alles wirkt – auch wenn das jetzt etwas „on the nose“ ist – wie aus einer TV-Serie. „Sehen Sie nächste Woche bei „Marvel Cinema“: Thor kämpft gegen irgendwelche Dunkelelfen!“ Bravo. Aber der Sprung – oder sagen wir doch lieber passend „Fall“ dazu – von „Der Regisseur großartig inspirierter Shakespeare-Verfilmungen“ hin zu „Kerl der bei ‚Game Of Thrones’ hinter der Kamera“ ist halt so merklich wie schmerzhaft, auch wenn man Mr. Auftragsgehilfe wohl nicht die Alleinschuld für die – nettgesagt – Vergewaltigung des Filmstils geben kann.
Doch das Optik-Problem reicht noch weiter. Nicht nur ist Asgard nun ein optisch deutlich langweiligerer und schlicht wenig beeindruckenderer Ort geworden, sondern die gesamte Farbenpalette ist komplett abgerutscht. London? Grau-blau. Asgard? Bernstein-braun. Die „dunkle Welt“, oder das „dunkle Königreich, wenn man nach der deutschen Betitelung geht? Dunkelbraun. Wow. Unglaublich.

Einschub – Nach der Pressevorstellung meinte ein Kritiker: „Aber es muss doch auch so lustig sein, ist ja von einem Comic für Kinder.“ Eeeep. Da wurde aber ein Knopf bei mir gedrückt. Nach kurzer Diskussion und Darlegung, dass dies ein mittelschwerer Holocaust an Falschvorstellungen bezüglich Comic ist – was er positiver weise sogar nach kurzer Aufklärung eingesehen hat – kam die Sprache auf die Farbenpalette von „Thor 2“, die ja zumindest etwas „realistischer“ sei. Vorab meinte ein anderer Filmbesprecher noch im Publikum, dass die nun deutlich geerdetere Götterwelt durchaus passen würde, weil es sich ja auf die nordischen Mythologien beziehen würde. Aber „Thor 2“ bezieht sich eben NICHT auf eben jene Sagenwelt, sondern auf die Marvel-Comics. Siehe dazu auch den Vorspann mit dem dicken „Marvel-Logo“ (jetzt sogar in hübschem 3D, auch wenn die oftmals wegen falscher Projektion das Bild verdunkelnden Brillen der grau-braunen Matschpalette noch einen weiteren Todesstoß geben).
So sehr wie ich nun irritiert war über das mittelalterliche Ambiente der eigentlich mächtigen Techno-Götter, so sehr wäre wohl jeder „Twilight“-Fan – jupp, I went there – irritiert, wenn statt den glitzernden Eckzahnträgern plötzlich klassische, bös-blutige Vampirwesen den Bildschirm bevölkern würden „weil es sich eben auf die klassischen Mythologien“ bezieht. (Drolliges Stichwort: „Subspecies In The Twilight“)
Wenn “
Twilight” auf seine ganz eigene Darlegung der Vampirwelt vertrauen und damit erfolg haben kann, warum dann nicht auch “Thor”? Spätestens beim zweiten Teil wissen ja die Leute was sie erwartet. Den Look so stark über den Haufen zu werfen ist schon ziemlich erschreckend, denn einzig ein paar im Erstling etablierte Orte – und selbst davon nicht alle – atmen noch den eigentlichen Geist der Vorlage.

The Bad, the Ugly and the … Good?!?

All dies hört sich jetzt natürlich ziemlich vernichtend an. Was es auch ist, versteht mich da nicht falsch. Aaaaaaaaaaaaaaaber – ja, es war ja klar, dass da jetzt ein „aber“ folgt – also, aaaaaaber trotz all dieser Probleme macht „Thor 2“ immer noch „Spaß“. Das liegt an Tom Hiddlestons Loki, der hier eigentlich mindestens so sehr, wenn nicht mehr Hauptrolle ist als der titelgebende Donnergott. Weiter bekommt Rene Russo deutlich mehr zu tun als im Vorgänger und darf schön zeigen was passieren würde, wenn man ihrem Charakter etwas mehr Platz einräumt. Dafür hat Anthony Hopkins etwas weniger Screentime. Thors Wahl zwischen seiner Welt, dargestellt durch Jamie Alexanders Figur und der Erde, dargestellt durch die Portman, wird in den Fokus gerückt, aber zu Gunsten von „Wir wollen nicht so viel Entwicklung haben, keine Ahnung wie viele Filme wir von ‚Thor’ noch drehen können, also mach mal Entwicklung auf Sparflamme“ nicht sonderlich weit bearbeitet. Aber immerhin. Idris Elba hat ein paar großartige Szenen auf den Leib geschrieben bekommen und das Finale macht ziemlich viel Spaß mit seiner „Portal“-Physik.

Also, ernsthaft, persönlich gebe ich „Thor 2“ einfach mal nur 5 von 10 Punkten. Aber – ja, da ist es wieder, das „aber“ – da sicherlich einige Leute weniger stark auf die genannten Design-Entscheidungen reagieren werden und ich trotz allem das Marvel-Kino-Universum nach wie vor mit seinen Verknüpfungen liebe und genieße, gebe ich mal – ich bin so großzügig – die

Filmbewertung: 6/10

Und kann es sein, dass alle „Teil 2“s von Marvel unbefriedigend ausfallen? Bei „Iron Man 2“ war das auch schon der Fall, wobei man dort zumindest die Wahl zwischen zwei Bösewichtern hatte – dem immer interessanten Rourke sowie dem immer unterhaltsamen Rockwell – und die Inszenierung nicht große Teile des im Erstling eingeführten Stils über Bord geworfen hat. Vielleicht haben wir also das Glück und „Thor 3“ wird wie „Iron Man 3“: Eigenwillig, kontrovers, aber auf jeden Fall mit einer durchgehenden, inspirierten Handschrift!

Hätte Alan Taylor irgendwelche eigenen Akzente – jenseits vom Comedy-Overkill – setzen können und hätte die unterschiedlich gestaltete Götterwelt zumindest thematisch irgendwie genutzt, die Änderungen hätten ja noch irgend einen Sinn gehabt. Aber so? Marvel muss aufpassen, dass sie durch die serielle Verarbeitung nicht wirklich in wenig inspiriertes Dutzenddenken abdriften. „Thor 2“ ist nämlich was genau diese Tatsache angeht ein ziemliches Warnzeichen!